Stürmische Zeiten! Valencia versinkt im Rauch und Elmo braucht einen Schrittmacher.

Wer zur Hölle hat eigentlich den Off-Schalter vom Wind versteckt? Seit Tagen, nun ja, eigentlich schon seit Wochen, windet es in Valencia so stark, dass man sich eigentlich nur noch im Inneren ELMOs aufhalten möchte. Jede Woche sag ich auf’s Neue „nur noch der Sonntag und dann kommt der Sommer“! – Ich habe es aufgegeben. Es ist und bleibt Winter… oder Frühling in Spanien.
Manchmal treten wir uns in den Hintern und gehen eine Runde auf dem Pontoon spazieren. Die großen Boote ziehen so heftig an den Tauen und Klampen, dass die Klampen am Pontoon an Ermüdung brechen. Dann wird schnell im Marina-Office angerufen und schon kommt eine neue Klampe mit Marinero angefahren und wird befestigt. Verdammt hat die Natur Kräfte! Beim Anlegen steht mancher quer in seiner Box und auch gemütliche Abende zum Sundowner im Cockpit bleiben aus. Unsere Bilgen sind voll gebunkert, Schapps prall gefüllt und unser Hirn bereit zur Abfahrt. Nur das Wetter spielt nicht mit! So bleibt auf alle Fälle Zeit, die ganzen Bilder des Roadtrips zu bearbeiten, Beiträge zu schreiben, eine neue Kategorie mit Reise- und Segeltipps zu erstellen, bis Matthias verkündet, er habe seine Freundin nun endgültig an das Internet und die Fotobearbeitung verloren. Darren geht es nicht anders. Alex ist in Aquarellfarbe und wissenschaftlichen Illustrationen versunken.

Da kommt was! Ganz Valencia wird geschmückt!

Bunter, Höher, Lauter, Fallas!

Das valencianische Frühlingsfest, die Fallas, katapultiert uns zum Glück dann doch an Land. Jeden Tag wird man durch einen lauten Knall geweckt, auf den einen kompletten Tag Feuerwerk und Ballerei folgt. Jeden Tag um 14:00 Uhr beginnt der Höhepunkt des Tages. Dann werden am Plaza del Ayuntamiento die Mascletàs abgefeuert. Ein riesiges Tagfeuerwerk, dessen Wummern man noch im Hafen, auf ELMO, im Magen spürt. Die Stadt versinkt im dichten Rauch und alles riecht nach Silvester. Die Pyrotechniker werden hier in Valencia wie große Popstars gefeiert. Sogar ein- und zweijährige stehen am Straßenrand und zünden Heuler, Knaller und alles, was sie an Feuerwerkskörpern finden können, an.

Alia war ungefähr 3 oder 4 Jahre alt.

Jungs beim Zündeln 3.0

Ihre kleinen Schatztruhen, die mit bunten Knallern zum Bersten gefüllt sind, haben sie stets dabei. Die Eltern stehen mit einer seeligen Ruhe daneben, quatschen und schauen ihren Kindern dabei zu, wie sie mit Feuerzeug und Zündschnüren Krach entfachen. Wir tauchen ein in die wilde Feierkultur Valencias. Zelte werden in den Straßen aufgestellt, Unmengen an Absperrungen lassen Autofahrer verzweifeln und Skulpturen, die noch in Plastikfolie verpackt sind, warten darauf, zu wundervollen Kunstwerken aufgebaut zu werden. Es ist ein besonderes Gefühl auf dem Klapprad durch die Gegend zu fahren. Am Anfang schreckt man noch extrem zusammen, wenn mal wieder ein Böller, mit ohrenbetäubenden Knall, hinter der nächsten Straßenecke explodiert – nach drei Tagen hat man sich schon fast daran gewöhnt. Man könnte meinen, die Bürger Valencias nehmen Anlauf um ganz bald schon mit Volldampf in etwas Großes, Buntes, Verrücktes zu springen.

<3 Das sind die besten Buden! Sobald die Siesta vorbei ist, steht man schon mal 15-20 Minuten in der Schlange.

Überall bekommt man Churros con Chocolate, die übrigens aus purem Glück und nicht aus Kalorien gemacht sind. Auf dem Rückweg aus der Stadt sehen wir eines Abends ein riesiges historisches Segelschiff. Anscheinend ist Jack Sparrow mit der Black Pearl angekommen. Zur modernen Architektur des Heineken-Buildings wirkt der Klassiksegler, der zu Ausstellungszwecken über das Mittelmeer segelt, wie ein wahnsinniger Kontrast der Epochen.

Das Wetter ist so unzuverlässig wie die Päckchenlieferanten in Köln. Im einen Moment stehst du voller Erwartung am Niedergang (die kleine Treppe, die zu ELMOs Inneren führt), denkst, das gute Wetter kommt gleich, hinter dem nächsten großen, grauen Gefährt und packst voller Inbrunst das T-Shirt und die Sandalen aus … … und paff, im nächsten Moment verschwindet die große, gelbe Sonne und der Himmel wird grau und es stürmt! Die Gut-Wetter-Lieferung bleibt aus. Dann kommt noch mal ein kleiner Sonnenstrahl, der dem gelben Zettel im Briefkasten gleicht – „Ich war da, habe Sie aber nicht angetroffen und bin mit ihrer Lieferung wieder weggefahren, vielleicht komme ich morgen noch mal in einem Zeitfenster von 0-24 Uhr“. Uns versöhnt jedoch ein wunderschöner Regenbogen über’s komplette Hafengelände.

Und dann kommt doch noch eine Lieferung an. Zwar keine Gut-Wetter-Lieferung, aber unser Staubsauger! Oh Mann, was für ein Luxus. Wenn man die Bilgen einfach aussaugen kann. Die Genugtuung, wenn man hört, dass eine Nudel, die schon seit einer Woche ihr Leben hinterm Herd fristet, nun mit lautem Gepolter durch den Staubsaugerschlauch in den Beutel befördert wird. Grandios! Ich hätte nie gedacht, dass man sich so sehr über einen Staubsauger freuen kann, aber so ist es – man schätzt die kleinen, elektrischen, luxeriösen Dinge an Bord, die man nur im Hafen genießen kann, dann doch sehr.

Vom 15. auf den 16. März findet die Plantà statt. Bis zum 16. in der Früh müssen alle Fallas (das sind die Skulpturen auf den Straßen, die dem Frühlingsfest den Namen gaben) aufgestellt werden. Das ist unser Zeitpunkt die Klappräder zu satteln und mit der Kamera bewaffnet durch die feiernden Straßen zu tingeln. Es ist sagenhaft, unvorstellbar, unglaublich, laut, musikalisch und wahnsinnig, was Valencia in der Zeit zu bieten hat! Haushohe Figuren säumen die Kreuzungen, neben jeder großen Skulptur ist auch eine Kleine für die Kinder aufgebaut, die den Großen in nichts nachstehen! Wir sind überwältigt und finden keine Worte … … deswegen gibt’s auch jetzt einfach einen Haufen Bilder!

Das war ein Teil meiner Lieblingsskulptur, eine der Kleinen Skulpturen. Auf der Vorlage des Tattookünstler waren tatsächlich Zebrastreifen zu sehen <3

Diese Figur haben wir im Aufbau gesehen, als viele noch nicht standen. Es war verrückt wie viele Einzelteile das waren!

Die Lottosucht der Spanier wird auch aufs Korn genommen!

Es ist verrückt, dass all die wunderschönen Kunstwerke einfach so am 19. März verbrannt werden. So viel Liebe und Herzblut, Schweiß und Arbeit geht einfach so in Flammen auf. Aber das ist der Brauch! Das ist eben die Tradition. Wir schaffen es nicht zur Crema in die Stadt, wir sind todmüde im Vorschiff eingeschlafen. Die ganze Stadt wird plötzlich zu einem fulminanten Feuerwerk, überall knallt es. Es ist mitten in der Nacht und es ist schweinekalt. Wir schieben die Luke auf und gehen ins Cockpit. Es riecht nach Verbranntem, überall blitzen funkelnde Farben auf, es bebt. Jetzt sind wir auch wach! Zitternd in Schlafsachen und Wolldecken gehüllt, etwas verschlafen und desorientiert, schmeißen wir den Livestream zur großen Verbrennung der Gewinnerskulptur am Plaza del Ayuntamiento an.

Fallera in Spanischer Tracht.

OMNOMNOM!

Jetzt haben wir genug Feuerwerk für die nächsten 5 Jahre gesehen und sind auf ewig versaut, denn keines der Feuerwerke in Deutschland wird jemals an die Pyrotechnikkünste der Valencianer kommen! Nebenbei überlege ich eine Ausbildung zur hauptberuflichen Fallasbauerin zu machen und meine Arbeit später den Karnevalsvereinen in Köln anzubieten. Wie dem auch sei, jeder der auf Phantasie, Comics und Kunstwerke steht, sollte zu den Fallas nach Valencia reisen!

Alle Mädels sehen aus wie Prinzessinnen!

Bereit für den großen Tag! Warum die Kleine hübsch gemacht wurde? Alle Falleras (so heißen die Damen) geben am 17. und 18. März einen Blumenstrauß ab um die Jungfrau der Bedürftigen zu schmücken. Ich bin so unglaublich froh diesen Moment eingefangen zu haben!

Auch das war ein besonderer Moment! Abends saßen wir unendlich fertig an einer Churro-Bude und mussten uns noch für den Rückweg stärken und dann saß da dieses Mädel. Sie war wohl auch schon hart zerfeiert, ihre Laune auf dem absteigenden Ast, aber mitten im Rampenlicht! <3

Herzprobleme und unten rum bewachsen – Elmo braucht einen neuen Schrittmacher und eine Wellnessbehandlung vom skipper!

Bald ist unsere Zeit in Valencia abgelaufen, gerade deswegen wollen wir ELMO noch einmal auf Herz und Nieren prüfen. Noch während der Fallas schmeißt Matthias den Motor an und das Bedienpanel im Cockpit flackert, als hätte es einen Herzinfarkt. Nach einiger Zeit machen wir ELMOs Motor aus und versuchen erneut zu starten. Es klappt nicht. Der Motor springt nicht mehr an. Sch$%&!!!! Bitte jetzt keinen Motorschaden! Wir verbringen Stunden um herauszufinden, was nicht stimmt und Tage um Recherche rund um eine kleine Blackbox zu betreiben. Diese kann der Übeltäter sein. Die Box ist die Motorelektronik und vermittelt zwischen den Bedienelementen im Cockpit und dem Motor. Sie sorgt dafür, dass der Motor vorglüht und der Magnetschalter des Anlassers betätigt wird. Das Ding ist fratze! In Gedanken gehen wir das Prozedere durch. Volvoservice anrufen, auf einen Termin warten, während Valencia aus dem Winterschlaf erwacht und jeder Eigner sein Boot fertig machen will, 3 Wochen auf ein Ersatzteil warten, festsitzen. Blendende Aussichten, kurz bevor wir Besuch bekommen und endlich unsere Reise fortsetzen wollten. Jetzt müssen wir erst mal das machen, was wir schon zur Genüge geübt haben – WARTEN! – denn die Fallas sind noch nicht vorbei und nach den Feiertagen muss sich erst mal jeder Betrieb sortieren, bevor man anfängt zu arbeiten.

Derweil will Matthias dringend ELMOs Unterwasserschiff inspizieren. Bei 12 Grad schmeißt er sich ins Wetsuit und will tatsächlich ins Hafenbecken springen. Er tut es auch! Über den Winter hat sich eine dicke Fauna und Flora an ELMOs Unterseite angesiedelt, die Matthias nun mit einem Teigschaber, Stück für Stück, abträgt. Das bekommen auch die Nachbarn mit und nutzen die Gunst der Stunde! Der arme Mann kommt die nächsten 2,5 Stunden nicht mehr aus dem Becken raus. Auch der Katamaran der Kiwis wird genauer betrachtet und die Ula, ein Einrümpfer von Claire und Andy muss, gegen eine Bierspende an ELMO, überprüft werden. Der Teigschaber zerbröselt allerdings bei der Ansammlung an Muscheln im Bugstrahlruder der Engländer. Tapfer sammelt Matthias alle im Wasser treibenden Teilchen auf und schält sich aus seiner zweiten Neoprenhaut. Ein paar Tage später dreht der Wind und schiebt allen Müll, der im Wasser treibt, zu uns ins Hafenbecken. Ich find es grauenhaft, wie viele Plastiktüten, Binden, Dosen, Verpackungen, Kippen aller Art und Mikroplastik im Hafenbecken schwimmt. Ich bastel aus einem alten Kleiderbügel und Darrens übriggebliebenem Mückengitter einen Kescher. Darren steigt ebenfalls in die Kescherproduktion ein und wir befreien das Hafenbecken auf- und ablaufend drei Tage lang von all dem Plastik- und Müllscheiß. Es ist Wahnsinn, wie viel wir dort rausfischen und ekelhaft zugleich! Schade, dass wir Menschen der Natur und den Tieren so etwas antun! Der Köcher kommt nun mit auf Tour!

Eine tierisch gute Begegnung

Beim Wäschewaschen treffe ich auf Heike, Jürgen und Scotty von der RazzFazz. Im November oder Dezember waren sie schon mal hier und haben sich den Hafen angeschaut, nun sind sie schon seit mehreren Wochen hier und wir sind uns nicht wirklich über den Weg gelaufen. Sie liegen an einem anderen Pontoon. Kurzerhand werden sie von mir auf ELMO eingeladen. Wir haben einen fantastischen Abend mit viel zu viel Rum-Cola für die Mädels, Bier für die Männer und vielen tollen Gesprächen auf deutsch. Auch Scotty, der Bootshund, ist mit dabei und hat direkt mein Herz erobert!

Scotty!

Am liebsten hätte ich ihm als Bestechungsversuch, damit er auf ELMO bleibt, das Lendchen gebraten, welches wir noch im Kühlschrank hatten. Aber ich wurde aufgehalten! – Es gibt immer noch keinen Bootshund für ELMO. Ich hoffe, wir sehen die drei und die RazzFazz noch mal in irgendeiner wunderschönen Bucht zum Sonnenuntergang wieder. Auch wenn ich es mag, sich im Hafen auf Englisch zu unterhalten, Fetzen an Französisch und Spanisch rauszukramen oder sich mit Händen und Füßen zu verständigen, so ist es doch umso verrückter wie unglaublich gut es sich anfühlt, wenn man plötzlich die selbe Sprache sprechen kann, Worte einfach über die Lippen gehen, ohne nach Vokabeln suchen zu müssen. (Und ohne Witz, da kommt dann auf einmal so viel raus!) An solchen Abenden hab ich immer das Gefühl, sie dürften nie enden und Matthias schlägt dann alle Hände über dem Kopf zusammen, wenn ich mal wieder nach unten husche um noch ein Getränk zu holen, nur um den Abend zu verlängern. Aber auch solche Abende gehen zu Ende (und am Morgen danach sitzt dann eine ausgewachsene Riesenkatze auf dem Schädel). Übrigens war das der erste Abend seit langer Zeit, an dem wir draußen sitzen konnten. – Nur noch ein Sonntag, dann wird es Sommer!!! Ich sag’s Euch Leute! Tatsächlich soll sich das Wetter bessern. Das muss gefeiert werden! Mit einem Angrillen auf dem Planca der Kiwis.

Hallo Mama – wir verhungern übrigens nicht 😉

Gerade ist auch der Motor wieder auf Vordermann gebracht worden! Eine neue Blackbox wurde binnen 5 Minuten eingebaut, und Leute – was noch viel besser ist – wir können nun unseren Motor im Notfall mit einem kleinen Button kickstarten, falls die Box mal wieder abschmieren sollte … … denn das tut sie anscheinend bei allen Volvo-Penta-Motoren, die nach 2008 gebaut wurden recht häufig! Wieder was gelernt! (Hierfür gibt’s dann auch bald die entsprechende Dokumentation in der Rubrik „Hallo Wissen“)

So long, ELMO muss sich noch „rüstern“, wie man im Siegerland sagt, denn Philipp und Alena kommen schon ganz bald und wir freuen uns hart darauf!!! Außerdem will ich noch eine Runde ums Hafenbecken joggen, um den Schweinehund zu vertreiben und noch so viel mehr! – Immer was zu tun hier (nebst der Langeweile an windigen, regnerischen, wolkenbehangenen, ungemütlichen Tagen *hust*) im Hafen.

 

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