Neue Haut für Elmo, viele wundervolle Bekanntschaften und eine Nachtfahrt mit Begleitung

In der Dobra Luka angekommen legen wir unseren Anker mitten in die Bucht. Wir sind alleine. Umringt von farbintensiver Natur. Das bleibt auch erstmal so. Matthias kann sein kleines Solarkraftwerk auspacken und die Paneele in Richtung Sonne ausrichten, sodass wir genügend Strom für alles, was wir brauchen, produzieren.

Halbe / halbe, Matthias bekommt einen neuen Gesichtshaarschnitt

Entspannt und erfreut über diesen wunderbaren Ankerplatz und dessen Ruhe packe ich den Laptop aus und beginne den Blogeintrag zu tippen. Gerade mit dem Text fertig geworden, verabschiedet sich der Bildschirm, als ich die Bilder sichten und bearbeiten will. Ich versuche den Laptop erneut zu starten. Der Bildschirm bleibt grau. Es tut sich nichts. Der arme Kleine ist schon 6 Jahre alt und hat viel arbeiten müssen.

Aufgrund der Hitze und dem Geschwabbel hat er wohl einen kleinen Burnout bekommen und beschlossen sich eine Auszeit zu nehmen – für immer

Ich schaue wie Grumpy Cat und denk mir „Ja klar … … musste ja so kommen!“ Ich bin weder wütend, noch traurig – irgendwie neutralegal. Eine halbe Stunde später fuchst es mich dann doch als ich begreife, dass mein kleines Projekt nun vorerst nicht weitergehen kann. Blogschreiben ist für mich etwas Besonderes geworden. Es ist, als säße man mit Freunden zusammen bei einem Bierchen und erzählt, was man so erlebt hat. Nach Matthias‘ Recherche ist es ein Problem mit den Lötstellen am Grafikchip. Eigentlich hat Matthias heilende Hände was Computer angeht, aber er kann den kleinen Apfel auch nicht wieder zum Leben erwecken. Am nächsten Tag tüftelt er sich durch die Foren im Internet, während ich schon fast bereit bin, den Laptop in den Backofen zu legen um die Lötstellen zu schmelzen (ich hatte in diesem Internet gelesen das viele Menschen das Problem so gelöst haben). Die Temperatur des Gas-Ofens lässt sich allerdings nicht ganz so gut steuern, also hab ich dann im Endeffekt davon abgesehen. Gut so! – Matthias bekommt es später erstaunlicher Weise wieder hin, den Apfel ans Laufen zu bringen, indem er im Inneren des Computers rumhackt und den Grafikchip ausschaltet (O-Ton: „Im EFI! Sowas wie BIOS, nur anders.“). Ich bin fürchterlich stolz auf meinen Nerd-Kapitän und kann zur Feier des Tages den Blogeintrag online stellen!

An dieser Stelle möchte ich noch ein „DANKE“ loswerden, an alle die, die unglaublich schnell reagiert haben und uns ihre Hilfe in Form ihrer alten MacBooks anboten! – Das Problem ist temporär gelöst. Auf längere Sicht hin werden wir uns wohl einen zuverlässigeren IT-Begleiter zulegen müssen.

Die Zeit in der Dobra Luka verbringen wir mit Schwimmen im glasklarem Wasser, Rumhängen an den zwei kleinen Stränden, die von Felsen umringt sind und Schnorcheln

Wir sehen viele, verrückte Meeresbewohner. Ein kleiner grüner Fisch mit lila Kopf, auf dem cyanfarbene Streifen zu erkennen sind, gehört zu meinen erspähten Hauptattraktionen. Ich jubel, klatsche und feier diesen kleinen Fisch, verschrecke ihn allerdings damit und er verschwindet schnell hinter einem Fels. Matthias deutet auf eine 30 Zentimeter dunkle Wurst mit vielen Beinen, die sich den Stein hinaufschlängelt – ein Unterwassertausendfüßler. Ich liebe das Schnorcheln! Matthias hat den Mut, in ein kleines Loch, zwischen zwei Felsen unter Wasser hindurchzutauchen und findet sich in einem kleinen Freiluftbecken wieder. Wir verbringen zweieinhalb Stunden damit, die Unterwasserwelt zu entdecken. Danach geht es zurück zu unserer kleinen Gummiwurst an den Strand. Baby-ELMO liegt im Schatten und wir schnorcheln noch hier im seichten Wasser die Felsen ab bis die Haut ganz runzelig wird. Matthias kommt mit drei Schneckenhäuschen wieder, die er gefunden hat und legt sie mir in die Hand. Ein grünes, eine lilafarbenes und ein kleines braunes. Gerade frage ich mich, an welches Lederband ich die kleinen Häuschen befestige, um sie mir um den Hals zu hängen, als sich eines der Häuschen anfängt zu bewegen. Etwas erschrocken drehe ich das Häuschen um und sehe einen kleinen Minikrebs, der schützend einen Kieselstein vor die Öffnung seines Zuhauses hält. Upsi … Mit diesen kleinen Bewohnern hatten wir nicht gerechnet. Das mit dem Schmuck gibt dann wohl nichts. Es ist auch wesentlich spannender, die drei kleinen Krebse beim Revierkampf zu beobachten, während wir sie, samt ihrer Häuser, wieder ins Wasser verabschieden. Am vierten Tag  in der Bucht müssen wir einkaufen. Google-Maps gibt uns den Weg zur nächsten zivilisierten Ortschaft an. In einer Stunde sollte der Weg per Pedes um den Berg rum auf die andere Seite machbar sein. Ja spitze! Das machen wir, ein wenig Sport kann uns eh nicht schaden! – In der Mittagshitze!!! Nach einer unendlich scheinenden Stunde kamen wir dann auch durchgeschwitzt und dehydriert an. An einem Beachclub. Ein Restaurant mit Lounge-Möbeln und reichen Leuten. Kein Kiosk, kein Laden. Mist! Nebenan gehen die Normalsterblichen an den Strand zum Baden. Alle kamen mit dem Auto hierher. Von weiter weg. Drei Kilometer sollten es noch zu laufen sein, um an einen Einkaufsladen zu kommen, sagt uns eine nette Frau in sehr gebrochenem Englisch, die gerade zu ihrem Auto geht. Wir fragen nach der Taxinummer, um uns einen fahrbaren Untersatz zum Laden zu organisieren. Wir wollten beim besten Willen keine drei Kilometer mehr bei über 34 Grad laufen. Keine 2 Minuten später finden wir uns in dem roten Auris der Frau wieder, die uns wie selbstvertändlich zum Einkaufen und wieder zurück fahren will.

Lilia, unser montenegrinischer Engel mit Klimaanlage

Lilia kann nicht wirklich Englisch und wir nicht wirklich Serbisch, sie lehnt jedoch wehement ab, uns die Taxinummer zu geben, wenn sie uns auch fahren kann. Außerdem sehen wir nicht wie zwielichtige Vögel aus, sagt sie, es wäre ihr eine Freude.

Eine Autofahrt voller Lachkrämpfe und Verständigung mit Händen und Füßen

Wahnsinn! Das gibt’s doch nicht! Wie freundlich sind denn bitte die Menschen hier?! Leider trinkt Lilia keinen Wein, so bleiben wir auf dem Danke-Wein, den wir eben noch für sie im Laden kauften, hängen. Es bleibt schon wieder eine von vielen wunderbaren Erinnerungen in unserem Reisenotizbuch! Als wir mitsamt Klorollen und sonstigen Einkäufen bestückt über die Felsen Richtung Baby-ELMO balancieren, treffen wir ein Pärchen, die sich gerade sonnen. Max und Rohan. Seit Kroatien hatten wir nicht mehr die Möglichkeit, uns intensiver mit Menschen auszutauschen. So spricht Matthias, durstend nach sozialen Kontakten, die beiden sofort an. Er sagt sie sehen deutsch aus und er wolle sich nochmal in seiner Muttersprache mit anderen Menschen außer mir unterhalten. Max sagt, er solle das nicht so laut sagen, Ro würde eigentlich aus Neuseeland kommen. Was wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen – unsere Geschichten ähneln sich. Nach einem kleinen Plausch stellen wir fest, dass wir alle vor Kurzem erst die Entscheidung einer Auszeit getroffen haben. Auch Max und Ro haben vor noch nicht allzu langer Zeit ihre Jobs gekündigt und sind unterwegs. Auch sie haben ihre Sachen verkauft, sich auf den Weg gemacht, eine grobe Route und ein Ziel. Ihr Ziel: Rohans Heimat, Neuseeland. Einen Teil der Strecke mit Morrison, ihrem Van, den sie auch recht zügig gekauft haben. Es tut gut, sich mit ihnen zu unterhalten. Es ist so vertraut und doch ganz neu. In totaler Euphorie, sich mit jemandem auszutauschen, steht recht schnell fest, es gibt mehr zu erzählen und somit laden wir die beiden zum Abendessen auf ELMO ein. Max und Ro wollen noch eine Runde schwimmen und Morrison umparken, bevor Matthias sie am vereinbarten Treffpunkt an Land mit Baby-ELMO abholen kommt. Es bleibt etwas Zeit. Ich atme durch, denn ELMO sieht recht wüst aus und ist in diesem Zustand definitiv nicht vorzeigefähig. So bleibt wenigstens etwas Luft um aufzuräumen und den Spül der letzten Tage zu säubern.

Reiselust + viele Bücher + 2 lustige Menschen + Van = Travels of a bookpacker

Rohan, Max und Morrison

Auf unserem Rückweg zu ELMO machen wir an einem Fischerboot halt und fragen, ob es möglich wäre einen frischen Fisch für den Abend zu kaufen. Der Junge auf dem Boot sagt, er würde später vorbei kommen wenn die Taucher fertig sind. Gerade ELMO auf Vordermann gebracht, klopfen die Fischer-Jungs an. Sie strecken uns einen rot-braunen großen Fisch entgegen. A-Qualität, bestätigen alle drei und nicken heftig mit den Köpfen. Auf dem Boden ihres Bootes liegen drei Oktopusse und ein silberner Fisch. Ich habe mir auf meine Bucketlist den Punkt „Fisch probieren“ gesetzt. Ich esse nicht so gerne Fisch, also ehrlich gesagt esse ich gar keinen Fisch! Im Glauben daran, dass sich alle sieben Jahre die Geschmacksnerven neu formatieren, erhoffe ich mir, dass mir Fisch nun doch schmeckt. Ein Gedankenfetzen blitzt durch meinen Kopf! Wir haben nur noch 100 € als ein Schein an Bord. Und die Kreditkarte. Doch die lehnen die Fischer mit Gelächter ab. Sie sagen, wir könnten den kompletten Fang für 30 € haben. Wir lehnen ebenfalls dankend ab, das ist dann doch etwas zu viel Fisch zum Probieren. Nachdem ich ELMO wieder komplett auf links gedreht und Chaos unter Deck verursacht habe, krabbel ich mit 9,50 € Kleingeldfund in der linken Hand auf die Badeplattform. Den silbernen Fisch wollen sie uns eigentlich nicht verkaufen aber schenken, der wäre nicht so die Ultraqualität. Der Fischer gibt mir den Fisch in die rechte Hand. Schockstarre. Da liegt er nun, tot, in meiner Hand, weich und guckt mich an, mit seinen riesen Kulleraugen. In diesem Moment überlege ich, ob ich vielleicht doch lieber Vegetarierin werde. Völlig überrumpelt gebe ich dem Fischer das gesamte Kleingeld und wackel etwas steif mit dem Fisch ins Cockpit und weiß nicht was ich machen soll. Die Fischer sagen, es ist zu viel Geld und wollen mir das Geld zurück geben, aber ich schnappatme vor mich hin und sage mit einem leicht panischem Grinsen „Njiema Problema – everything fine – byebye!“. Die Fischer ziehen ab, laut lachend über das viele Geld, dass sie für den „Not-so-good-quality-Fisch“ bekommen haben.

Ich gebe den Fisch an Matthias weiter und hoffe darauf, dass er den Rest erledigt

Das erste Mal ist wohl immer schwer!

Was er dann auch tut. Das erste Schuppen und Ausnehmen schafft er ohne sich zu übergeben. Ich stehe unter Deck und übe mich ebenfalls in Körperbeherrschung.

Max und Ro werden ein paar Minuten später von Matthias und Baby-ELMO eingesammelt. Wir verbringen einen tollen Abend mit guten Gesprächen und lecker Essen. Ein Fisch mit Gemüse, den wir uns zu viert teilen, ist doch etwas wenig. Ich hoffe wir haben die beiden dann noch mit dem Schokodessert satt bekommen.

Am nächsten Mittag winken wir Morrison zu, der über den Berg mit den beiden tollen Menschen seinen weiteren Weg in die grobe Richtung Neuseeland einschlägt.

Für einen beherzten Lacher sorgt ein Motorbootfahrer, der mit seiner Frau und seinen Buddies in die Bucht rein rauscht

Dafür kurz vorneweg:

Matthias hatte am vorigen Tag eine Ankerboje gesetzt. Diese Boje ist im Normalfall mit einem Seil am Anker befestigt und zeigt an, wo sich der Anker genau befindet, damit niemand seinen Anker auf den Anker eines anderen wirft. So wird Kettensalat oder Schlimmeres vermieden. Im Optimalfall hängt ein Boot im Gewicht der Kette und nicht im Anker selbst. Da wir vor mehreren Tagen den Anker unter anderen Windbedingungen eingefahren hatten, würden ankommende Boote in unserer Einkaufs-Abwesenheit ELMOs Anker an einer ganz anderen Stelle vermuten. ELMO chillte nämlich mit 45 Meter Kette vor sich hin, die sich in Schlangenlinien auf dem Meeresboden ausgelegt hatte. So mussten wir niemandem zurufen, wo unserer Anker jetzt genau sitzt, denn man konnte es sehen. Da wir das Seil der Boje allerdings nicht direkt beim Einfahren des Ankers am Anker selbst befestigt hatten, mussten wir uns was einfallen lassen. Matthias hatte unseren Eimer (für Fachkundige – die Pütz) mit dicken Steinen voll gemacht, daran das Seil mit der Ankerboje und dessen Aufschrift „Anchor to SY ELMO“ befestigt und den beschwerten Eimer direkt neben unseren Anker platziert.

Wie dem auch sei, einen Tag später kommt der Motor-Boy angerauscht. Er hält direkt auf unsere Ankerboje zu und freut sich wahrscheinlich wie ein kleines Kind, dass die einzige Mooringboje in der Bucht frei ist. Sein Plan: Sein Motormoped genau daran festmachen. Selbst die Aufschrift, dass es eine Ankerboje ist, die zu ELMO gehört, interessiert ihn nicht. Er zückt das Tau, um sich daran festzumachen. Jetzt ist wohl der Zeitpunkt gekommen, an dem ich etwas sagen muss, denke ich mir. Denn macht er sich daran fest, wird er mitsamt der Pütz und seinem Motorboot innerhalb kürzester Zeit wegtreiben, Richtung Land, auf die Felsen. Ich gebe ihm zu verstehen, dass es unsere Ankerboje ist, an der er sich gerade festmachen will, doch es interessiert ihn weiterhin nicht. Erst nach dem dritten Mal fragt er, was mein Problem sei, wäre doch in Ordnung wenn er sich kurz an unserem Anker festmacht, ruft er auf englisch rüber. „If you want your boat to start drifting and chrash into the stones – go ahead. It’s just a bucket at the bottom, next to our anchor, it is not fastened to our anchor!“ ruf ich rüber und warte auf seine Reaktion. Erst als seine Frau heftig mit ihm diskutiert, lässt er das Vorhaben sein, wirft seinen Anker ein paar Meter neben unserer Boje und gibt vollste Dröhnung 80er Jahre Techno auf die Bluetoothboxen.

Und wieder Ruhe in der Dobra Luka

Am sechsten Tage in der „guten Bucht“ gehen wir Anker auf. Jetzt beginnt meine Trainingsstunde „Einparken“. Mit viel Platz um mich rum und unserer Ankerboje als Orientierung, lerne ich rückwärts, vorwärts und seitwärts Einparken. Klappt. Ist wie Autofahren mit und ohne Servolenkung zugleich. Zumindest beim Rückwärtsfahren, denn dann setzt der Schraubeneffekt ein. Rechts rum verhält sich ELMO wie eine flinke Maus, links rum leider wie ein unwendiger Elefant. ELMO braucht mindestens das Doppelte an Platz.

In Montenegro gibt es zu Hauf Lost Places – Viele Fotospielplätze für mich!!! Spitze!

Relativ verlassen hier

Im Gegensatz dazu 

Die geleckte Welt im Hafen Porte Montenegro Tivat

 

Am Sonntag Abend vergraben wir unseren Anker nochmal im Schlamm der Bucht von Kotor. Wir wollen, typisch Deutsch, am Montag morgens pünktlich bei navar Yacht Service einlaufen, damit ELMO so schnell wie möglich seine OP bekommt. Um sieben Uhr kommt die Sonne langsam, schleppend über die hohen Berge und bietet uns mitsamt des Nebels ein farbliches Schauspiel sondersgleichen.

Dobro Jutro!

Waldbrandgeruch liegt in der Luft. Ich glaube, diesen Geruch werde ich nie wieder vergessen. Er begleitet uns schon seit vier Wochen. Unpünktlich, wie immer, machen wir mit einer halben Stunde Verspätung fest.

Bei navar ist alles superdobro

ELMO steht nach dem Kranen mal wieder in seiner unnatürlichen Umgebung – an Land. Wir steigen nicht nach unten in unser Heim, sondern steigen eine Leiter hinauf.

Und wieder ein paar Meter über dem Meeresspiegel

Die Jungs der Werft sind lustig drauf, erfreuen sich an Matthias‘ und meinen nicht vorhandenen linguistischen Fähigkeiten der serbischen Sprache, aber ermuntern uns immer wieder zu kommunizieren. Ein sehr freundlicher Haufen! Ich versuche, mich bei den Werfthunden Luna, Marsa und Saro mit Cevapccici nach dem Mittagessen einzuschleimen. Die restlichen Cavapi bekommen sie eh nach dem Mittagessen, finde ich später heraus, also ist es nicht wirklich ein Lockmittel.

Marsa und Sharo haben die animalische Zukunft der Werft gut gesichert! 5 Welpen! Fast hätte ich mir zum Geburtstag selbst einen Bordhund geschenkt.

In der Nacht ist es noch über 30 Grad warm, als wir schlafen gehen wollen. Weil unser Schlafzimmer repariert wird, liegen wir im Achterschiff. Hinten, wo sich Motor und der Boiler befinden. Der Boiler ist noch wunderbar warm vom späteren Spülwasser und verwandelt die Achterkabine in eine kleine Sauna. Eine Mückenarmee attackiert uns. Matthias‘ Magen macht Alarm. An sich alles kein Problem. Leider gab es in der Nacht nur eine französische Toilette, ein Loch im Boden, am Ende der Schotterpiste der Werft – ohne Wasser! Die Spülung ist schon etwas länger kaputt. Beim besten Willen will man dort nicht mitten in der Nacht vielleicht sieben Mal die Leiter runterkraxeln, über die Schotterpiste stolpern und auf eine französische Toilette gehen, die keine funktionierende Wasserleitung hat, geschweige denn ein Waschbecken. Um 5 vor 12 bucht Matthias ein Hotelzimmer in der Nähe über’s Internet. Wir ziehen um, mit Zahnbürsten, Wechselklamotten für den nächsten Tag, Duschzeug und unseren Klapprädern. Im Hotelzimmer duschen wir ausgiebig, feiern hundemüde in meinen Geburtstag und fallen unendlich selig ins weiche, riesige Bett. Das Einschlafen fällt mir etwas schwer. Alles um mich herum ist unglaublich ruhig. Ein sehr ungewohntes Gefühl!

Die Arbeiten an Elmo schreiten voran …

Am nächsten Morgen rufe ich zu Hause an, um meiner Mama zu gratulieren. Nicht weil sie mich auf die Welt gebracht hat, sondern weil auch sie heute Geburtstag hat. Ein Hoch auf FaceTime, was Videotelefonie doch für eine Nähe auf weite Distanz schaffen kann! Beim Guten-Morgen-Kaffee auf dem Boot laufen die Mitarbeiter der Werft nacheinander an ELMO vorbei und rufen „Happy Birthday young lady!“ hoch. Insgeheim frage ich mich, ob sie sich in Reihe hinter der Halle aufgestellt haben, nachdem Matthias ihnen verklickert hat, dass heute mein Geburtstag ist. Jedes Mal werde ich rot und bedanke mich mit zwei Mal „Hvala“-sagen. Am Mittag werde ich zum Geburtstagscevapi eingeladen. Matthias hat für den Nachtisch Käsekuchen besorgt. Außergewöhnlicher Geburtstag! Schön und liebevoll – Das macht es erträglich an diesem Tag nicht zu Hause sein zu können, bei Freunden und vor allem der Familie!

Der Hitze entflohen

Olga <3

Männer und ihre Spielzeuge

Mille – der Werfthausmeister

Brüder im Herzen – Dado und Marco

Den Rest des Tages verbringen wir damit, alle Niro-Aufbauten von ELMO auf Hochglanz zu polieren. Die Flugroststellen möchten beseitigt werden. Am späten Dienstagnachmittag erreicht uns eine gute Nachricht. Aufgrund der Toiletten-Situation hat die französische Versicherung, auf Nachfrage der Anwältin, ihr Einverständnis gegeben. Wir dürfen für die Zeit, die wir bei navar verbringen, ins Hotel ziehen. Die nächste Nacht parken wir wieder unsere Klappräder in der Tiefgarage und verbringen noch eine Nacht im Hotel.

Polieren, polieren, polieren

Wir sind uns einig, dass es die letzte Nacht sein soll, denn es fühlt sich seltsam an, nicht auf ELMO zu schlafen. Ein Wenig als würden wir ihn im Stich lassen. Es ist nicht mehr allzu heiß und auch die Toilettensituation ist in Ordnung, solange keine Magenprobleme im Spiel sind und man mit Meerwasser nachspült. Saro persönlich, der Werft-Rudelführer, bringt mich abends zum Wellblechverschlag, wartet und begleitet mich den Weg zurück zum Boot. Auch die montenegrinischen Hunde sind wohl sehr zuvorkommend und hilfsbereit! Die Arbeiten an ELMO schreiten schnell voran. Jetzt ist es absehbar. Wir können am Freitag Morgen gekrant werden und die Werft verlassen, sagt uns Bozo.

In der Werft gibt’s immer was zu entdecken

77 Jahre und noch richtig fit! Sein Geheimrezept, wie er sagt: „Wenig Alkohol, wenig rauchen, schöne Frauen!“

Eine Waschmaschine! Die ist Gold wert! Auch wir dürfen unsere Klamotten waschen

Die Jungs erlauben sich am Donnerstag noch einen kleinen Spaß und ziehen Matthias mit dem Kran zum Ankerlicht rauf, damit er das machen kann, wofür ich zu kurz war. Reparieren. Jetzt fällt es doch schwer, Abschied zu nehmen. Von Marco, dem Kranfahrer, Dado, Bozo, Mille dem Hausmeister und seinen Hunden, sowie allen anderen. Wir laden die Jungs zum Mittagessen ein und basteln noch eine Abschiedskarte, mit hoffentlich richtig geschriebenen kyrillischen Buchstaben und auch hoffentlich richtig übersetzten Worten mit Hilfe von Google Translate. Auch die Jungs wollen sich bei uns verabschieden und stehen mit einer 3-Liter Flasche montenegrinischem Wein, kurz vor Feierabend am Fuße der Leiter.

Klasse Teil, so ein Staubsaugerrucksack! Hab‘ ich mir von den Reinigungsmädels ausgeliehen. Ich fühl mich, wie einer von den Ghostbusters! <3

Bei dem Vorrat an Wein können wir uns wahrscheinlich das nächste halbe Jahr jeden Abend einen anschickern. Der Abschied bei navar und von Montenegro fällt nun doch schwer, trotzdem freuen wir uns, als ELMOs Kiel wieder das Wasser berührt und das Boot ins Meer gekrant wird.

Und schon wieder im Wasser

Momentaufnahme – einer der letzten Blickwinkel bei navar

Wir feiern Premiere – die erste Nachtfahrt zu zweit!

Jetzt gilt es, eine Vignette für einen letzten Tag in der Marina Porto Montenegro zu kaufen, auszuklarieren und unsere erste Nachtfahrt zu zweit zu bestreiten. Wir fahren zur Ausfahrt der Bucht von Kotor, ein Alarm piepst laut. „Wir können nicht zurück! Wir haben schon ausklariert und dürfen montenegrinischen Boden nicht mehr betreten“ – sind die ersten Gedanken, die uns in den Kopf kommen. Es ist „nur“ die Ruderkalibrierung des Autopiloten. Das Ruder möchte neu kalibriert werden. Matthias hatte in der Werft die Logge ausgebaut und sauber gemacht, da sie bewachsen war und nicht mehr funktionierte, nachdem wir uns fast eine komplette Woche in der Dobra Luka nicht bewegt hatten. Wir machen das, was uns auf dem Steuergerät angezeigt wird und alles funktioniert wieder – Zum Glück, ansonsten hätten wir 26 Stunden am Stück selber steuern müssen.

Bei der Aktion, die Logge zu säubern, verätzte Matthias sich seine Hände mit 80 prozentiger Essigsäure. Nun häutet er sich wie ein Reptil. (#thingsihavelearnedonasailboat – Handschuhe werden dich davor bewahren zum Reptil zu werden, wenn du die Logge mit 80%iger!!! Essigsäure säuberst!)

Etwas aufgeregt, mit weichen Knien, verlassen wir montenegrinische Gewässer. Ich frage mich, ab wann wir nur noch blau um uns herum sehen, ab wann Montenegro am Horizont verschwindet und Italien auf der gegenüberliegenden Seite noch nicht sichtbar ist. Es wird erst am nächsten Tag der Fall sein.

Pure Freude darüber, dass wir unter Segel die Nachtfahrt erleben werden

Mehrfach piepst der Tiefenmesser. Wir sind verwirrt!

Unter uns müssten mehrere 100 Meter zwischen unserem Kiel und dem Grund sein, aber der Tiefenmesser zeigt nur ein paar Meter an und schrillt alle paar Minuten. Plötzlich sagt er, es wären nur 1,30 Meter bis zum Grund – das ist echt seltsam. Ich schaue zur Sicherheit doch nochmal auf die Seekarte, ob sich nicht irgendwo eine Untiefe befindet. Wir schieben es auf einen großen Fischschwarm, der unter ELMO ganz gewiss mitzieht und lehnen uns zurück. Wenige Minuten später wissen wir, was unseren Tiefenmesser verrückt spielen lies. Delfine!

Drei mal kommen uns diese lustigen Säuger vor dem Sonnenuntergang besuchen. Schwimmen mit uns mit und surfen in ELMOS Bugwelle. Springen in die Luft. Legen sich etwas auf die Seite, sodass sie zu uns hoch schauen können. Nachdem wir ihnen zurufen und applaudieren springt einer von ihnen hoch, zeigt uns seinen rosa Speckbauch und lässt sich mit voller Geschwindigkeit auf den Rücken in die Wellen klatschen! Das es ein einzigartig, wundervolles Erlebnis ist brauch ich wohl eigentlich hier nicht zu schreiben. Matthias stockte bei der ganzen Aktion allerdings jedes Mal der Atem, weil ich wie ein aufgescheuchtes Huhn ohne Rettungsweste an ELMOs Bug rannte, sobald ich eine Delfinfinne sah – werde ich in Zukunft wohl unterlassen!

Den Sonnenuntergang schauen wir uns gemeinsam bei Spaghetti mit Hackbällchen unter Segel an

Um neun Uhr beginnt Matthias‘ Wache, ich lege mich hin und schlafe. Im drei-Stunden-Takt wechseln wir uns ab. Matthias geht um 12 Uhr schlafen. Ich sehe den Mond untergehen. Dann ist plötzlich alles dunkel. Der Wind frischt auf. Wir sind genau auf Kurs Brindisi und machen zwischen 5-7 Knoten Fahrt. Drei Schiffe kommen in unsere Nähe. Darunter vermutlich zwei Cargoschiffe. Alles safe! Dann die MeinSchiff2, das war echt unheimlich. Wahrscheinlich, weil dieser Kreuzfahrtbomber so arg beleuchtet ist wie die Wies’n beim Oktoberfest und es deswegen so bedrohlich nah aussieht. Eigentlich ist dieses Schiff ganz schön weit weg. Das Hirn möchte dies aber anscheinend bei der ersten Wache, die man ganz alleine bestreitet, nicht verstehen. Matthias wird bei der Wachübernahme von der völligen Dunkelheit etwas aus dem Konzept gebracht und fährt erst mal eine Runde im Kreis bevor er sich orientieren kann. Ich darf schlafen gehen. Am morgen ignoriere ich gekonnt den Wecker und penne eine halbe Stunde länger als ausgemacht. Mittlerweile ist die Sonne aufgegangen, um uns herum ist alles blau. Der erste Kaffe ist wunderbar. Gegen Mittag sehen wir Land. Italien! Bis kurz vor Brindisi sind die Bedingungen gut. Plötzlich kachelt es und die Wellen werden höher. ELMO stampft mit seinem Bug. Wir bergen die Segel. Wasser spritzt bis zur ersten Saling, die Hafeneinfahrt ist nicht mehr weit. Dahinter wird es ruhiger. Ein monströser Wellenbrecher schützt den Hafen vor den Wellen und der rauen See. Fertig und verklatscht fahren wir durch eine ewig lange Hafeneinfahrt. Eine Stunde, vorbei an dem Industriehafen, durch den Mittelhafen, hinein in den Stadhafen wo wir uns an der Stadtpier festmachen. Glücklich aber müde sind wir da – in „Bella Italia!“.

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