Wir springen von Level zu Level, zu Level! Süditalien, (k)ein Monster namens Straße von Messina und der Geruch von faulen Eiern.

Oh, Ankerplatz vor dem Puerto Nuovo Crotone – du hast dir eine Auszeichnung verdient! Als der hässlichste Ankerplatz, den wir bis jetzt ausgesucht haben! Umsäumt von brachialer, verfallener Industrie wabert das matttürkisfarbene Wasser vor sich hin. Nicht mal den Kopf des Ankers kann ich sehen als er gerade komplett im Wasser versunken ist. Ich diagnostiziere pure Chemie und rufe ein Badeverbot in Richtung Matthias aus, der sich schon mit Badehose bereit zum Dippen gemacht hat. Es riecht nach faulen Eiern. An Land werden Silvesterböller und Raketen getestet. Dafür ist es hier sicher. Sicher vor dem, was da kommen soll. 40 Knoten Wind. Gewitter.

Die Altstadt von Crotone kann sich sehen lassen

Sakrale Streetart für Fußballer

Typo <3

Am Abend kommt ein weiteres Segelboot und legt sich tollkühn direkt vor die Hafenmole. Ein beruhigendes Gefühl, Nachbarn zu haben, die noch näher an der Einfahrt des Industriehafens ankern, aus dem sich riesige Frachter ihren Weg auf’s offene Meer bahnen. Später blitzt es, noch weit weg. Das Unwetter wühlt das Meer so stark auf, sodass Matthias am nächsten Morgen um 6 Uhr wegen des Schwells die Kriese bekommt. Etwas unsanft werde ich aus dem Schlaf gerissen. „Wir müssen hier weg – ich muss mich beim Schlafen festhalten! Das kann es doch nicht sein!“ brummelt er verschlafen und angenervt vor sich hin. – „Das Wetter soll auch nicht besser werden!“ – Derweil lag ich noch mit allen Vieren von mir gestreckt, platt wie eine Flunder wohl schlummernd im Vorschiff. Schnell klar kommen, für Kaffee reicht die Zeit später. Anker auf, rüber vor die Mole, an den Nachbarn vorbei, Anker runter, fest, Kaffee! Jetzt ist das Nachbarboot auch wach. Schnell wird das Fernglas rausgeholt und man beäugt uns erst mal eine Runde. Ich muss grinsen. Uns geht es ja auch nicht anders. Wer ist das? Woher kommen die? Was haben die vor? Sind die weit genug weg? Was ist das für ein Boot? Welchen Namen hat das Boot? Kann man die im Internet stalken?

Retter in unbewusster Not

Keine halbe Stunde später verlässt ein Frachter den Hafen mit einem Lotsenboot. Der Lotse kommt direkt auf uns zu gefahren. Wir schicken Stoßgebete in den Äther, dass er uns nicht von unserem sicheren Ankerplatz in der chemieverseuchten, nach faulen Eiern stinkenden Bucht wegscheucht. Und das tut er! Er scheucht uns mitsamt den Nachbarn, die uns überholen in den Industriehafen! „Hier ist es nicht sicher für euch! Der Fluss, der in die Bucht mündet, wird zur Gefahr bei solchen Bedingungen. Kommt mit in den Industriehafen und macht euch fest, ihr braucht auch nichts zu bezahlen.“ Das ruft uns Alfredo, der Lotse, zu. Wir haben weiche Knie. Wieder in den Hafen rein?! Wir hatten doch gestern erst versucht dort zu tanken und hatten nur noch alarmierende 30cm Wassertiefe unter dem Kiel (hoffentlich war es nur ein großer Fisch unter dem Echolot). Das war uns zu heikel geworden und wir flüchteten ohne einen Tropfen Diesel oder Benzin wieder nach draußen.

Verstörend!

In direkter Nähe lagen gestrandete, abgewrackte Fischkutter, Segel- und Motorboote im kaum zwei Meter tiefen Hafenbecken auf Grund. Später erzählte man uns, dass es sich dabei um Flüchtlingsboote handelte. Es sah unglaublich gespenstisch, bedrohlich, angsteinflößend sowie nicht wirklich tief und sicher aus. Alfredo versichert uns, einen Liegeplatz mit viel Wasser unter dem Kiel, also folgen wir. Bei der Anfahrt frischt der Wind auf und bläst mir um die Nase, als ich alle Fender ausbringe. Längs sollen wir zwischen unserem ehemaligen Nachbarlieger und einem großen, teuren Segler an der rauen, potenten Hafenmauer bei 25 Knoten Wind anlegen. Große Gummibumper sind dort festgemacht, an alten stark verrosteten Ketten, eines der Glieder ist so groß wie meine Hand. Matthias legt ein 1A-Anlegemanöver hin. Alfredo, Fischer und Bootsbesitzer der anderen Boote helfen uns, die Leinen festzumachen bevor das Dilemma beginnt. Regentropfen schlagen auf uns ein, mit einer Wucht, die ich vorher nicht kannte. Wir versuchen gerade noch alle Fender an die richtigen Stellen zu positionieren, bevor der Wind und der Regen so stark zunimmt, sodass er die losen Kiesel auf dem groben Asphalt des Hafenbodens in eine fiese Sandstrahlmaschine verwandelt. Eine Wellnessbehandlung der besonderen Art! Gepeelt, über und über mit feinem Kies bedeckt und bis auf die Unterhose nass flüchten wir uns in den Salon. Erste Amtshandlung: Laptop in den Backofen, die Handys, Funken und das iPad sicher in der Mikrowelle verstauen. Es blitzt, wir zählen, es donnert. Plötzlich blitzt und donnert es zugleich, wir kommen nicht mehr zum Zählen! ELMO wird mit schwarzem Kies bedeckt. Was eine Sauerei!

 

Deutsch-Schottische Freundschaftsschließung mit Folgen 

Zwei Stunden später hören wir auf dem Nachbarboot einen Staubsauger. Wir sind neidisch und überlegen uns Strategien, wie wir an den Staubsauger kommen, denn auch im Salon knirscht es unter unseren Füßen. Nur kurze Zeit später bekommen wir von Schottland einen Staubsauger ausgeborgt.

Zaungast in den Straßen von Crotone

Gegenleistung – ein kühles Bier bei Rückgabe! Kurze Bestandsaufnahme – yes! Wir haben noch zwei Bier. ELMO kann sich wieder sehen lassen und so heißen wir später Linda und Dale sehr gerne auf ELMO willkommen. Soziale Kontakte sind schon was Tolles! Schotten sind immens trinkfest, bemerken wir am nächsten Tag. Nachdem Linda und ich zweieinhalb Weinflaschen getrunken hatten, Matthias und Dale sich dem Rum-Cola widmeten, weil kein Bier mehr vorhanden war, wir den letzten eingeweckten russischen Zupfkuchen aus Alenas und Philipps Notproviant futterten, diesen schlichtweg um 12 Uhr als Matthias Geburtstagstorte auserkoren hatten und ich die Sprachschüchternheit verlor und dachte Englisch wäre meine Muttersprache.

Bestes aus der Schäfer-Heidrich Küche! DANKE für die Geburtstagstorte 😉 (Helfer in der Not)

So feierten wir feucht-fröhlich, unterhaltsam, mit viel lachen ins Bickel’sche Wiegenfest. Jetzt ist es allerdings nicht mehr ganz so lustig, denn ein großer, ausgewachsener Kater bestimmt seit dem Aufwachen den Tag. Der Tag lädt auch nicht gerade zum Gammeln ein, denn Vorräte haben wir keine mehr, die Wäsche muss noch gewaschen werden und das alles am Besten in der Marina, die darauf ausgelegt ist. Also den Kater mit Ibuprofen und viel Wasser ins Irgendwo verbannen, Leinen los, raus aus dem Industriehafen, Fender umhängen (dabei Körperbeherrschung bewahren, weil die Wellen doch wieder ganz schön hoch sind), rein in die örtliche Marina und zum guten Schluss wieder bei 20 Knoten Wind in die engste Parklücke der Welt einparken (eine halbe Stunde vorher war es natürlich windstill). Dale wartet schon am Steg und hat netter Weise das Nachbarboot dicht an seine MAY DREAM genommen, sodass ELMOs schmaler Hintern zwischen den beiden italienisch festgemachten Booten Platz findet (italienisch festgemacht heißt – Leinen so lang wie möglich und auch die Mooring nicht durchgesetzt, maximal 3 Fender draußen, das Nachbarboot regelt es schon irgendwie). Wir teilen die Arbeit auf, ich mache ELMO sauber und kümmere mich um die Wäsche, weil ich mir gerade nicht vorstellen kann, in einem italienischen Taxi gen Supermarkt zu brettern. Der Birthday-Boy darf mit Schottland im Einkaufsparadies eskalieren. Was er auch tut.

Lindas dreckige Lache höre ich jetzt noch!

Abends genießen wir ein leckeres drei-Gänge-Abendessen auf der MAY DREAM bei Linda und Dale. Dale hat schon viel erlebt. Immer mal wieder kommt eine Geschichte, bei der wir uns das Zwerchfell vor lauter Lachen nicht mehr halten können. Es gibt da so einen Spruch: „Es gibt zwei Arten von Skippern: die, die schon aufgelaufen sind und die, die noch auflaufen werden“. Dale ist ein Exemplar der ersteren Art. Er hatte sich bei einem Einhand-Törn an einer Mooring Boje festgemacht, fühlte sich dort sicher. Als jedoch der Wind und die Welle zunahm, löste sich das Tau der Mooring in Wohlgefallen auf. Dale schlummerte tief und fest in seiner Koje. Erst als es einen gewaltigen Rumms gab und er auf der Backe lag, wachte er auf. Das Boot war auf Grund gelaufen, direkt neben einer Bahnstrecke, auf Felsen, da wo niemand segeln würde. Die Küstenwache half, machte aber auch Fotos, die am nächsten Tag mit dem Titel „Yachtsman runs aground“ in der Zeitung landeten. So machte sich ganz Schottland Gedanken, was in aller Welt der verrückte Mensch an dieser Stelle gemacht hat und warum. Dass eine schlechte Mooring-Boje der Grund für sein Auflaufen war, stand nicht geschrieben.

Abschiedsfoto für Linda und Dale

Übrigens wurde uns noch irgendwo ein falscher Zwanziger untergejubelt, der kommt in die Erinnerungsbox

Never ending Story – Das Ankerlicht ist immer noch kaputt

Das Wetter beruhigte sich ein Wenig. Jetzt wollten wir einen letzten Versuch starten, das Ankerlicht zu reparieren. Als Matthias die Winschen belegt um mich in den Mast zu ziehen, knarzt es gewaltig. Wir hatten bei dem Sandstrahl-Sturm versäumt, die Winschen abzudecken. Der ganze Kies hatte sich nun auch in die Winschen gearbeitet. Die Mastaktion musste warten. Vorerst wollten die Winschen abgebaut und gesäubert werden. Auch hier half Dale wieder sehr gerne mit jeglichem Material aus, was er in den Tiefen von MAY DREAM fand.

Lauter Einzelteile

Dale half Matthias, wo er konnte. ELMO ist jetzt dank Dale auch wieder ganz dicht, Matthias hat viele Tipps für verschiedenste Situationen und wir haben nette Freunde dazugewonnen. Dementsprechend schwer fiel es uns, den Beiden „Tschüss“ sagen zu müssen. Ankerlicht-Aktion Nummer 3 brachte auch nichts. Die Form des Bootsstuhles macht es mir unmöglich, von oben auf den Mast und das Ankerlicht draufzuschauen.

Nicht wirklich erfolgreich

Nach dem Tanken fahren wir nach Westen. Stolze 4 Seemeilen, dann machen wir an einer Boje fest. Etwas skeptisch bin ich. Ein Wrack liegt in Sichtweite – auf Grund gelaufen! Ein Fischer fährt vorbei. Er gibt uns zu verstehen, dass es 5 € kostet aber die Boje super gut ist, außerdem würde heute eh keiner mehr zum Abkassieren kommen. Die Boje erweckt einen guten und sicheren Eindruck mit ihrem Blinklicht oben drauf und ihrer stattlichen Größe. Wir bleiben. Doch damit nicht genug, der Fischer kommt noch mal rum und schenkt uns einen falschen Bonito. Das ist der Moment, an dem eines unserer Küchenbrettchen mit der Aufschrift „Fisch-Mörder-Brett“ versehen wird.

Ankerbucht mit besorgniserregendem Wrack

RIP

Der Abend bescherte uns einen wundervollen Sonnenuntergang

Über das Ziel hinaus – wir fahren die Meile mehr

Eigentlich wollten wir ja nach le Castella, doch es geht gut durch, Delfine kommen uns besuchen. So ist das Ziel am nächsten Tag Roccella Ionica. In der Marina von Roccella Ionica machen wir kurz vor Sonnenuntergang fest. Gleich drei Marineros helfen uns. Solch einen Auflauf erlebt man selten. Später machen ein paar „Jungs“ aus Heidelberg mit Speed und einem kleinen Missgeschick neben uns fest. Die „Jungs“ sind eigentlich Herren in den besten Jahren, die sich jedes Jahr einen Männer-Segeltörn gönnen. Sie drücken uns am nächsten Tag einen Reiseführer in die Hand damit wir schauen können, wie wir den Tag hier verbringen.

Roccella Ionica scheint ein schönes Städtchen zu sein mit einer langgezogenen Strandpromenade, die zum Baden einlädt. Die Klappräder werden gesattelt, denn die Festung auf dem Berg verspricht eine einmalige Aussicht und Kultur pur! Gut gelaunt radeln wir Richtung Stadt. Alle Läden, Cafés, Bäcker und Friseure haben zu. Es ist heiß und es ist Mittag. Natürlich hat alles zu. Erst um 16 oder 17 Uhr macht alles wieder auf. Wir – voller Tatendrang – wollen den Berg und die Burg erklimmen!

Die Klappräder den Berg hinauf schiebend, in den engen Gässchen den hinaufrasenden Autos ausweichend, machen wir im Gänsetempo unter lautem Fluchen Strecke und vor allem laufen wir Höhe. Workout-of-the-Day (#wod) hiermit erledigt! Oben angekommen, erklärt uns eine alte Italienerin, dass auch die Burg bis um 17 Uhr geschlossen hat. So ein Mist! Wir flüchten uns in den Schatten und leeren die Wasserflaschen. Trotzdem hat es hier oben eine wunderschöne Aussicht.

Berg – du wurdest besiegt!

Spitzenaussicht

Roccella Ionica

Beim Runterfahren bzw. Runterschieben, weil der Weg, den wir gewählt haben, nicht befestigt ist, sammeln wir ein paar Kaktusfeigen. Matthias hatte mich noch vor den vielen kleinen Stacheln gewarnt, aber da sie so klein und fast flauschig aussahen, verspürte ich keinerlei Furcht. Doof! Die kleinen haarigen Biester habe ich kurz darauf in den Fingern hängen, obwohl ich sie meiner Meinung nach nicht wirklich berührt hatte.

Matthias und die Ka(c)ktussen bei der Ernte

OMNOMNOM!

Auf dem Rückweg legen wir noch einen kleinen Badestopp am Strand vor der Marina ein. Die Wellen sind recht hoch und wir werden ins erfrischende Nass gezogen, bevor wir wieder mit Wucht an den Strand zurückkatapultiert werden. Ich gehe lieber eine Runde spazieren und sammle Steine, die über Jahre vom Meer weichgespült wurden. Unser Workout hat anscheinend viele Kalorien verbrannt, wir haben einen Bärenhunger und bestellen, als wir in der Marina sind, im Restaurant einen halben Meter Pizza zum Mitnehmen, damit die guten Kalorien nicht verloren gehen. Saugut! Pizza und eine Folge Westworld! Verdammt, war das lecker und gut! Die Wetter-Apps versprechen Segelwind für den nächsten Tag, zwar fast direkt auf die Nase, aber wenn es passt, wollen wir Kreuzen. Wir machen los in Roccella Ionica mit Gentleman-Hilfe der Herrschaften vom Nachbarboot, die uns einen 6er Moratti (Matthias´ favorisierte italienische Biermarke) schenken, damit wir nicht verdursten. Matthias manövriert ELMO durch die seichte Hafeneinfahrt nach draußen. Noch ist kein Wind da. Wir motoren. Delfine schwimmen in ELMOs Bugwelle und begleiten uns ein Bisschen. Wir lesen uns über’s Internet in die Delfinwelt ein. Sie schlafen nur mit einer Hirnhälfte, brauchen 8 Stunden Schlaf pro Tag und ihr Leben besteht zu 20 % aus Fressen und zu 80 % aus Liebe – was ein Leben.

Zum Glück frischt der Wind auf und wir setzen die Segel. Mehr als 15 Knoten Wind sollen es heute nicht werden, also packen wir alles aus, was wir haben. Geht auch ganz gut ein paar Stunden.

mit Vollzeug in die Hölle!

Ich stehe am Ruder als die Wellen höher werden. Wir kreuzen, dann ist gar kein Wind mehr vorhanden. Wir schmeißen den Motor an, plötzlich füllen sich die Segel wieder mit mehr als nur dem Fahrtwind, die Wellen werden höher. Als gäbe es ein paar hundert Meter abseits vom Land eine Windschneise, den Motor machen wir wieder aus. Ein paar Minuten später liegen wir fast 90 Grad mit ELMO auf der Backe. Das Wasser läuft über die Backbordseite ins Cockpit, die Segel liegen fast auf dem Wasser! Schock! Ich sehe nichts mehr, weiß nicht mehr, was ich noch machen kann, brülle Matthias zu, der weit rechts über mir hängt und hoffe, dass keiner von uns von Bord geht! Scheiße, Scheiße, Scheiße! Was für ein Bullshit war das denn? Ich schaue auf den Windmesser und sehe 28 Knoten, Matthias ruft, dass es in der Spitze 30 Knoten waren die ELMO in der Böe mit Vollzeug draußen auf die Backe gelegt hat. Ich zittere am ganzen Körper, meine Gedanken sind konfus. Ich hab Angst aber bin froh, dass jetzt alles gut ist und wir uns vorher mit den Rettungswesten und Lifebelts eingepickt hatten. Markus, auch ein Segler und freier Produktioner, mit dem ich zusammen gearbeitet habe, hat mal gesagt „Scheint die Sonne auf den Kiel, war es wohl ein Bisschen viel!“. In der Tat, das war ein Bisschen viel und ELMOs Kiel hat hoffentlich keinen Sonnenbrand bei der Aktion bekommen! Geschockt packen wir die Segel ein und motoren bei zweieinhalb Meter Welle gegenan. Es wird immer rauer und gegenan kommen wir mit weniger als 3 Knoten. Wir brechen ab und lassen den Anker ausrauschen. Wirklichen Schutz gibt es an der Südseite von Italien nicht. Die Nacht ist schwellig. Lang können wir nicht ausschlafen und fahren weiter nach Westen.

(k)ein Monster namens Strasse von Messina

Heute ist das einzig gute Wetterfenster für die Straße von Messina in den nächsten Tagen. Ich mache mir (bitte nicht wortwörtlich nehmen) ein Wenig in die Hose, vielleicht weil auch der Schock von gestern noch nicht verdaut ist. Die Wellen sind immer noch verdammt hoch und wir hacken dagegen an. Manchmal scheint es, als würde ELMO im nächsten Moment in zwei Stücke auseinanderbrechen. Bei jedem Krachen auf die nächste Welle verziehe ich das Gesicht und entschuldige mich mental bei unserem schwimmenden Zuhause. Ist denn schon Herbst? Eigentlich wollten wir nur mal schauen, wie es da so aussieht in der Straße von Messina, gegebenenfalls in Reggio di Calabria einen Zwischenstopp einlegen. Doch dann waren wir mittendrin.

Ganz schön rau! Jetzt mit Mütze und Jacke statt Badehose unterwegs.

Hier war es gar nicht schlimm. Es war wie ein Computerspiel! Level 1 – Eingang mit viel Wind und Welle geknackt. Nur den Tidenstrom hatten wir (Schande über unser Haupt) etwas falsch berechnet. Er setzte aufgrund von Zeitverschiebung dann eine Stunde später ein und lies ELMO mit stolzen 8,6 Knoten (halsbrecherische 16 km/h) Höchstgeschwindigkeit „davonrasen“. Es fühlte sich an, als wären wir bei Mario Kart über einen Beschleunigungsstreifen gefahren. Level 2 – die Mitte check! Keine Schwertfischboot-Gegner, die dort, laut Allem, was wir gelesen haben, zu Hauf vorhanden seien und ständig sowie sehr abrupt ihren Kurs wechseln sollten. Ein paar Fähren mussten wir ausweichen, Cargoschiffe zogen an uns vorbei. Alles war aufregend. Die Zeit verflog und schon waren wir doppelkeksmampfend fast am Ende angekommen. Hier erwartete uns das, wovor ich riesigen Respekt hatte. Level 3 – unser Endboss – der Whirlpool. Oder besser die Waschtrommel. Dieses Naturphänomen entsteht, weil das ionische und tyrrhennische Meer aufeinandertreffen. Das ionische Meer hat einen höheren Salzgehalt als das tyrrhennische, welches zudem wärmer ist. Damit sinkt das eine ab und das andere steigt auf, was die Strudel verursacht – verrückte Sache! Es sieht aus, als würden sich die Wellen bekämpfen. Ein kleiner roter Segler hüpft vor uns durch die Strudel und wird von links nach rechts geschleudert. Wir schaffen es, die Wellen komplett gerade zu nehmen und Matthias kann so die Kontrolle über den Kurs behalten, währenddessen ich völlig außer Rand und Band von diesem Naturschauspiel überrascht und beeindruckt bin.

 

Wooooohaaaa! Wir sind durch! Wir haben es geschafft!

Wir sind unserem noch undefinierten Ziel ein Stück näher! (Wir überlegen gerade, ob es wirklich sinnvoll ist auf die Kanaren zu fahren. Dort haben wir schon fast alle Inseln gesehen, müssten die ganze Zeit in Häfen liegen, was teuer ist. Von Dale und Linda haben wir erfahren, dass es einen Fluss zwischen Spanien und Portugal geben soll, wo man gut überwintern kann. Wir überlegen mal noch eine Runde, bevor wir uns entscheiden.) Das fühlt sich vielleicht spitze an. Als könnten wir nun doch alles schaffen, was wir uns grob vorgenommen haben. In Süditalien schien alles so weit weg und unerreichbar, so rau und ungeschützt, so ab vom Schuss und so gar nicht danach, als ob wir in diesem Jahr noch Besuch empfangen können, weil wir einfach schnell weiter kommen müssen und uns nicht mal ein paar Tage an einem Ort aufhalten können. Wir haben schon eine Menge Zeit verloren durch dieses dämliche Zusammentreffen mit der Französin in Montenegro und das Wetter macht es momentan auch nicht besser mit voller Dröhnung aus der Richtung, in die wir fahren wollen. Aber vielleicht wird ja jetzt alles doch tutti, denke ich mir als ich bei 3 Meter Welle die Fender an die Rehling hänge und versuche, nicht von Bord zu fallen. Wir muggeln uns in einen kleinen Fischerhafen mit dem Namen Puerto Nino und schlafen fest wie Steine.

Die liparischen Inseln sind zum Greifen nahe

Alles sieht danach aus, als wäre heute ein Urlaubstag. Der Wind ist (noch) nicht da, das Meer spiegelglatt, fliegende Fische fürchten ELMO und flüchten davon! – Wie cool sind die bitte?! – Sie können schwimmen und fliegen! Ich kann auf dem Dinghi in der Sonne liegen.

Kurze Zeit später ist es vorbei mit Urlaub. Kalter Wind kommt angerollt. Bikini und Badehosen werden gegen Pullis und Mützen getauscht. Die See wird unruhig und die Wellen höher. Als sich auch noch der Regen dazugesellt sind wir schon fast vor Vulcano.

Wir schauen zurück und sehen dieses abgefahrene Naturschauspiel!

Die Wettervorhersagen sind sich mit dem Himmel einig. Wir bekommen Sturmböen und Regen. Im Salon fliegt die Hälfte unserer Küche umher und feiert Polterabend. Da war wohl die Türe vom Schrank nicht richtig geschlossen! Zum Glück ergattern wir noch kurz vor Sonnenuntergang einen der begehrten Ankerplätze. Der Geruch von faulen Eiern lässt sich nicht wegdiskutieren. Für eine Wellnessbehandlung der besonderen Art bietet Vulcano einen Schwefelpool, der ständig heiß vor sich hinblubbert und die Gase mit Hilfe des Windes in unsere Richtung bläst. Es ist kalt und das Behelfsankerlicht hochzuziehen dauert ewig. Heute findet das Abendessen in Jogginghose und Pulli unter Deck statt. Über ELMO rauschen Winde mit 20-25 Knoten.

Auch am Mittwoch sind wir noch nicht überzeugt vom Hinablassen des Dinghis um Vulcano zu erkunden. Bei der Auswahl unseres kleinen Gummitransportmittels haben wir etwas gespart und auf ein Festrumpfschlauchboot verzichtet. (Die Gummischläuche sahen auf dem Bild im Onlineshop auch viel größer aus. *hust*) Hat auf alle Fälle jetzt den Nachteil, dass wir inklusive Salzwasserdusche bis auf die Knochen an Land ankommen, während andere, aus ihren Dinghis mit festem Unterbau in trockenen Treckingsandalen mit Strümpfen an Land hüpfen. Egal! Die ganze Bucht fährt Dinghi, also wir auch! Funktioniert mit dem Wind und im Windschatten des großen Tankers, der vor uns an der Hafenmole festgemacht hat, damit er die Wassertanks der Insel füllen kann. Wir kommen staubtrocken an. Nach einem kurzen Gang über die Insel sowie in den kleinen Supermarkt machen wir uns wieder auf den Rückweg, denn ab 17:00 Uhr soll der Wind wieder zunehmen. 16:59 Uhr, wir setzen unsere durchnässten Füße an Bord und ich wringe meine nassen Sachen aus, da der Tanker auf dem Rückweg keinen Windschatten mehr bot, wir gegen den Wind und somit auch gegen die Welle fuhren. (Aufopferungsvoll setze ich mich natürlich immer gerne vor Matthias, damit er bei diesen Fahrten nicht nass wird, das hat rein gar nichts mit der Gewichtsverteilung zu tun! Nächstenliebe und so!) Pünktlich um 17:00 Uhr geht es los und es pfeift wieder heftig! Die Wellnessbehandlung muss bis morgen warten.

Stinker!

Er weiß, wo der heiße Scheiß rumliegt und hat uns auf italienisch mit viel „Avanti, avanti!“ dort hin geführt. Der heiße, stinkende Schlamm ist unter den Steinen am Rand zu finden.

Schön einwirken lassen! Dann hat man auch die nächsten Tage noch was davon! Hätte uns auch mal jemand sagen können. Die Dusche am Schwefelbecken und auch das vorherige, kurze Schwimmen im Meer kann den Schwefel nicht porenrein entfernen, wir werden den ganzen Tag geruchsintensiv erinnert. Vom Strand aus erhaschen wir einen Blick auf ELMO, der mittlerweile zwischen ganz schön vielen großen Traditionsseglern schwabbelt. Uns ist das etwas zu kuschelig, wir springen ins Dinghi, sprinten auf ELMO und gehen Anker auf. Sizilien – wir kommen!

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