Neuer Antrieb für ELMO
Der Taucher kam angestapft, abends um 19:00 Uhr, mit seinem kleinen Wägelchen. Ein kompakter, lustiger, sehr netter Mann namens Matthias. Ich war gerade dabei unser Abendessen zu kochen, die Jungs (Matthias, Holmar und Tomaz) standen an der Pier, tranken eine Hopfenkaltschale, während sie in der Abendsonne lachten und Seemannsgarn zum Besten gaben. Plötzlich ging alles ganz schnell, die Spaghetti waren fertig, der Taucher, bewaffnet mit Neoprenanzug, Sauerstoffflasche und Schraubendreher, bereit zum untertauchen – platsch, da war er drin.
Die Spaghetti waren schon länger als die empfohlenen 11 Minuten im kochenden Wasser. Ich tat mich schwer das Wasser abzuschütten, da es im Hafenbecken neben dem Taucher landen könnte… Der Taucher kam hoch mit ELMOs Propeller. Ich wollte den armen Mann ungern mit dem Spaghettiwasser verbrühen, also fragte ich nach, ob man das Wasser nun einfach ablaufen lassen könnte, ohne dass es den netten Herren unter Wasser tangiert. Der Taucher schaute mich entgeistert an und legte seinen Kopf mit einer fragt-die-mich-das-jetzt-ernsthaft?!-Miene und hochgezogener Augenbraue auf die Seite. Ich verstand im ersten Moment nicht, warum er mich nun so ungläubig anschaute. Die Jungs lachten und meinten „Nee, wart mal bis er raus ist!“. Ou!!! – ich fing an zu begreifen! Keiner verschwendete einen Gedanken daran, dass ich kochte. „Nein, nein! Ich will nicht ins Hafenbecken machen, ich will NUR das Spaghettiwasser abschütten!“ Freifahrt für meine homöopathische Dosis kochendes Spaghettiwasser und für den Taucher mit seiner Loctite- und Propelleroperation im Hafenbecken! Loctite ist eine Flüssigkeit zur Schraubensicherung, mit der man den Propeller zusätzlich sichern kann.
Neuer Propeller dran, bald können wir los… …dachten wir!
Dann las Matthias die Herstellervorgaben von Henkel, der Firma, die Loctite herstellt und telefonierte mit Flo (der kritische, aber beste Berater in Moralfragen rund ums Boot). Loctite darf nur im Trockenen und muss auf gesäuberter Fläche verwendet werden, danach soll es 12 Stunden vibrationsfrei aushärten. – Na spitze!
Das Telefon glühte!
Es war recht schnell klar, dass wir am nächsten Tag gekrant werden mussten.
Der Solarladeregler war dank des Elektrikers Boris nun auch eingebaut. Wir hatten eine Kilowattstunde Strom in 6-8 Stunden produziert – Matthias freute sich wie ein kleines Kind und hing alle elektronischen Geräte an seinen selbst gemachten Ökostrom.
ELMO IN SEINER UNNATÜRLICHEN UMGEBUNG
Bevor wir eine neue Dachgeschosswohnung mit ELMO im Kran bekamen, lieh uns Holmar netter Weise seinen kleinen Dacia zum Einkaufen. Wir waren gerade fertig geworden mit dem Bunkern von Getränken und Essen, als der Kranmeister Alex und Tomaz uns sagten, wir sollen nun zum Kranen fahren. Premiere für Matthias und mich – wir mussten ELMO ganz alleine in die Krangasse fahren und waren aufgeregt wie Bolle!
Alles ging gut, ein smoother Einparker in der Gasse. Und dann ging’s los! Plötzlich schwebte ELMO über unseren Köpfen. Ein sehr ungewohnter Anblick, aber phantastisches Schauspiel an Zusammenarbeit von Technik und Kranarbeiter.
Tomaz kam, Propeller runter, sauber machen, Propeller drauf, Loctite dran.
Unser Kranliegeplatz war der schönste Platz im Hafen für einen romantischen Sundowner. Holmar, der Bastler, ging unter ELMO her und schaute sich den Kiel an. „Hm… Ihr seht schon, dass der Kiel eures Bootes rostet oder?! – Hier eine ganz kleine Stelle“ murmelte er und zeigte an den Kiel. – Ach Mensch! So ein Mist! Was denn noch alles?!
Und wieder glühte das Telefon bei Thomas in den Niederlanden. Unser Bavaria-Händler sagte wir sollen erst raus fahren wenn wir ein gutes Gefühl haben und alles fein ist. Er bat Tomaz den Rost am Kiel zu entfernen. Da Sicaflex und Antifoulingfarbe ebenfalls Trockenzeiten haben, war klar – wir müssen noch eine Nacht an Land verbringen.
Wir hätten uns aufregen können und einen Hafenkoller bekommen können, aber irgendwie war es alles nicht schlimm! Die Menschen um uns herum, die Marina und das, was da so alles passiert, machten es zu einer sehr angenehmen Wartezeit, bis es los ging.
Matthias und ich packten uns die Klappräder unter die Pobacken, fuhren zur Mole um den letzten Strahlen der untergehenden Sonne über den Meer zuzuschauen und weil Klappradfahren echt lustig ist ;). Da saßen wir am Meer auf Betonplatten und waren ein Festmahl für alle Mücken in der Umgebung. Als juckender Streuselkuchen fuhren wir wieder von dannen als es dunkel wurde.
Eine Stimme aus dem Off fragte uns: „Hey, hallo, wisst ihr wie das hier so ist mit den Toiletten?“
Etwas perplex, dass wir im Dunklen auf deutsch, auf irgendeinem Campingplatz, hinter der Marina angesprochen wurden, stellten wir die Räder ab und gingen zur Stimme.
Kati und Ronald, ein Pärchen aus Leipzig standen vor einer Infotafel und wollten gerne auf diesen Campingplatz direkt am Meer campen. In der Hoffnung auf schöne Aussicht und gute sanitäre Einrichtungen hatten sie sich allerding einen Tag zuvor auf dem falschen Campingplatz niedergelassen.
Wir kamen ins Quatschen und ein paar Minuten später saßen wir mit den beiden im Cockpit auf ELMO im Kran. Ronald betreibt einen Fahrradladen, in dem er gerne mal Konzerte veranstaltet. Kati macht auch was mit Medien und so hatten wir Agenturuschis viel zu quatschen. Matthias ging zum Duschen und hatte einen Jutebeutel von Jonathan Kluth, meinem Lieblings-Singer-Songwriter, dabei. Ich meinte aus Spaß zu Ronald „Hey, den kannste auch mal in deinen Laden einladen, ein spitzen Typ!“. In Ronalds Kopf fing es an zu rattern… „Kluth… Kluth… hm… kenn ich irgendwo her, aber ich glaub der hieß nicht Jona, ne warte – Manuel Kluth hat mal bei uns gespielt! Netter, sympathischer Kerl mit außerordentlich gutem Musikgefühl und guten deutschen Texten.“ – Das ist sein Bruder! Das ist echt lustig! Da fährt man nach Slowenien, trifft dort ein Pärchen aus Leipzig, sitzt nachts auf einem Boot, welches im Kran hängt und dann hat man gemeinsame Bekannte über 1.000 Ecken! Danke Jona für diesen wunderbaren Moment!!!
Die Nacht auf dem Kran verlief ohne Schwappen aber mit Schwanken!
Mitten in der Nacht sahen wir zwei Schwertransporter mit weiteren Familienmitglieder von ELMO anfahren. Tomaz hatte viel zu tun! Alle Boote für ihn, alle wollten geriggt werden und wir! – Wir fanden immer neue Dinge, die er fixen musste.
Am nächsten Morgen mussten wir weg vom Kran, der musste wieder arbeiten. So wurden wir auf einen Landliegeplatz umgezogen, auf dem wir eine weitere Nacht blieben. Wir besuchten zur Abwechslung Kati und Ronald zum Sundowner auf ihrem neuen Campingstellplatz, auf den sie an diesem Tag umgezogen waren direkt am Meer.
Tomaz kam donnerstags früh am Morgen und bearbeitete unseren Kiel. Wir vertrieben uns die Zeit, die das Material zum Trocknen brauchte, mit Schwimmen im Marinapool, Klappradfahren, Lesen, Besuchen bei Holmar und Schreiben. Dann endlich war es soweit!
Der Kran hob ELMO wieder in die Krangasse und wir fuhren los, raus auf’s offene Meer, an den winkenden Leipzigern vorbei, zum ausklarieren nach Piran…
…dachten wir!
In der Hafenausfahrt bemerkte Matthias das der Autopilot kaputt war! – Neeeeeeiiiiiiiiiin!
…und wieder zurück in den Hafen von Portoroz!
Wieder einmal Tomaz um Hilfe bitten! Und Tomaz tat alles, was in seiner Macht stand. Eine Stunde und ein Mittagsschläfchen später hatten wir einen neuen Autopiloten, den Boris der Elektriker gemeinsam mit Matthias, viel Spaß und Nerdwitzen einbaute.
Alle machten schon Witze, als sie uns mal wieder im Hafen sahen.
„Naaaa, habt ihr schon die slowenische Ehrenstaatsbürgerschaft bekommen?“
Wie dem auch sei – wir kamen dann doch noch los.
Am gleichen Tag klarierten wir in Piran aus Slowenien aus und fuhren zum Einklarieren nach Umag in Kroatien.
Matthias ging zum Zoll und machte den Papierkram während ich einen kleinen Krebs am Pier vom Boot aus fotografieren wollte. – Plopp, da lag der Objektivdeckel im Wasser und schwamm in der Nachbarschaft einer halben Melone im Hafenbecken. Während ich objektivdeckelangelnd von anderen Seglern beglotzt auf der Badeplattform von ELMO lag, kam Matthias gut gelaunt angeschlurft. Alles wieder an Bord und los!
Hallo Kroatien! Hallo unlimited LTE!
Dinghy raus, Matthias rein, unlimited LTE für die nächsten Wochen! Spitze!
ELMO hatte gefühlt keine Lust weiterzuziehen, denn der Anker hielt Bombe den nächsten Morgen. Wir brauchten knapp eine Stunde um ihn auszufahren und hochzuwinschen.
Das erste Mal Segel setzten war fantastisch! Eine glatte See, etwas Wind und der Motor durfte sich entspannen. Möwen flogen mit uns Richtung Süden. In der nächsten Bucht machten wir an einer Mooring-Boje fest, die Mechanik des „Hook & Moor“-Bootshakens konnte leider nicht ausgetestet werden, da der Ring der Boje zu groß war. Er hat seinen Dienst als Bootshaken trotzdem getan! Ein Abend in Novigrad mit Pekas – langsam gegartem Lammfleisch – Cevapcici, Schlendern durch die Gassen und guter Live-Musik am Stadtpier ging zu Ende.
Am Samstag machten wir uns auf in Richtung Sveti Ivan. Da wir letztes Jahr um diese Zeit ein Boot gechartert hatten, welches diesen Namen trägt, wollten wir dort ankern. In der Bucht stand jedoch ein Motorboot rum, welches den kompletten Platz einnahm, also weiter. Auf der Ostseite von Sveti Andrija tanze betrunkenes Partyvolk an Stangen, auf drei im Päckchen liegenden Motorbooten zu Ballermann-Hits. Hm… weiter!
Letztendlich fanden wir einen Bojenplatz auf der Westseite von der kleinen Insel. Es war nicht gerade malerisch gelegen neben einem großen Hotel, aber irgendwie fand ich den riesigen Betonklotz, an dem die Mooring-Boje hang, sehr potent und sicher. Matthias willigte ein nachdem ich ihm mit dem Sicherheitsargument kam.
Unser Glück! – In der Nacht brüllte uns erst das Spifall und dann der Ankeralarm aus den Federn. Wir schwojten wegen der Strömung irgendwie anders als alle anderen Boote, es war dunkel, der Wind peitschte und am Himmel waren Blitze zu erkennen. Alles ganz schön freaky und creepy, so allein auf dem Boot, nur zu zweit. Bei allen anderen Urlauben habe ich mir in solch einer Situation gedacht, dass die Jungs das schon regeln, da die eh mehr Plan haben. Hab mich wieder in der Koje rumgedreht und weitergepennt. Aber jetzt geht’s irgendwie nicht mehr.
Das Adrenalin schießt einem bis in den letzten Millimeter der gesplissten Haare!
Nun ja, wir waren fest an der Boje, alles war gut, aber wirklich gut geschlafen habe ich nicht. Jetzt weiß ich, was Matthias damit meint, dass er Mutter geworden wäre und mit einem Ohr immer wach ist.
Nach einem weiteren Segeltag ankerten wir in Stoja, gingen Nachschub an Radler und Zigaretten in einem Campingplatzsupermarkt holen und ankerten fast alleine in einer riesigen Bucht.
Der erste längere Schlag erwartete uns und so heißten wir am Montag die Segel Richtung Uvala Vognisca auf Unije. Mensch, ganz schön karg und verlassen da! Dachte ich. Im Schweigekloster ist bestimmt mehr Party. Wir sind wahrscheinlich die einzigen hier. Aber nix da! Als wir in der Bucht ankamen, in der wir ankern wollten, waren doch einige Segler zu sehen. Alle genossen die Natur und hörten den wilden Ziegen zu, die am Rand der Insel rumblökten. Es war unglaublich ruhig, natürlich und auf spartanische Art und Weise sehr reich an Schönheit. – Wunderbar!
Ein wunderschöner Sonnenuntergang machte uns sprachlos. Ich fühlte einfach nur unglaubliche Entspannung.
Hier wäre ich sehr gerne geblieben – leider müssen wir weiter. Bald werde ich für einen Quickstop nach Deutschland fliegen um auf die Hochzeit einer guten Freundin zu gehen.
Außerdem bekommen wir schon bald unseren ersten Besuch von Philipp und Alena. Bis dahin sollten wir in Split sein, also weiter geht’s nach Mali Losinj, wo ich nun nach einem sehr gelungenen Hafenmanöver mit Seitenwind im Schatten der brütenden Sonne sitze und diese Zeilen tippe. Matthias hat sich das Klappfahrrad gepackt und ist mit zwei vollgestopften, Taschen schwitziger und dreckiger Wäsche zu den Waschmaschinen geradelt. – Selbst Wäsche macht er nun gern! – Ich vermute er will nur seinen wunderbaren Wäscheständer auf’s Vordeck stellen, der trotz heftigster Proteste meinerseits mitgekommen ist.