Mit Scheißwetter werden wir im Saronischen Golf in Empfang genommen! Der Anker will auf dem Felsboden, südlich der Kanalausfahrt von Korinth nicht halten und der Himmel sieht nach viertel vor Regen aus. Schnell machen wir das Dinghy klar, damit Matthias zum Bezahlen ins Kontrollhäuschen des Kanals fahren kann. Ich warte und passe so lange auf, dass sich ELMO nicht selbstständig macht und mitsamt heruntergelassenem Anker verflüchtigt. Nach kurzer Zeit kommt Matthias schon wieder, 165 € leichter. Wir winken Ricky und Donna, die vor uns durch den Kanal gefahren sind, ein letztes Mal zu, bevor sie Ägina und wir Korfos ansteuern.
Zwischenzeitlich müssen wir das Ölzeug aus den hintersten Ecken hervorkramen, um nicht durchnässt im kalten Wind vor uns hinzuzittern.
Korfos und der Rückfall in die Drogensucht
Korfos glänzt vor allem mit Restaurants und Fressbuden, einem Ankerplatz, der etwas tricky ist, denn man kann gefühlt nur auf einer Fläche von 10×10 Meter in der riesigen Bucht ankern, da der Rest vollgepackt ist mit alten Ankern, Ketten, Mooringleinen und sonstigen, am Grund vor sich hin modernden Überbleibsel der letzten 500 Jahre. Wir hätten auch an einem der Stege festmachen können, die vor den Restaurants angebracht sind, allerdings findet Matthias die Steine und Felsen, die bedrohlich nah an Ruderblättern platziert sind, nicht ganz so vertrauenswürdig und auch die langen Passarellas der Restaurants nicht. Damit meine Laune nicht wieder tiefer als Atlantis sinkt (ja auch nach fast zwei Wochen macht mir das Nichtrauchen in manchen Momenten noch das Leben etwas schwer), ziehe ich mir die Laufschuhe an, packe etwas Geld für Lollies ein und hüpfe ins Dinghy um meiner Lunge mal wieder zu beweisen, was für eine gute Idee es war, mit dem Rauchen aufzuhören. Beim Joggen und Schwitzen leistet mir ein hübscher Streuner Gesellschaft. Seine rechte Hinterpfote ist verletzt und er humpelt, freut sich aber sichtlich, dass er mich bei meinem Sportprogramm unterstützen kann. Als Belohnung für mich gibt’s einen Lolly, für ihn ein Döschen Nassfutter. Doch als ich aus dem kleinen Minimarkt gestolpert komme, ist der Streuner über alle Berge verschwunden. Matthias ruft recht grantig an und verkündet vorwurfsvoll (so kommt es zumindest gerade in meiner gereizten Nichtraucherstimmung bei mir an), dass das Dinghy am Steg richtig mies festgemacht ist, da es gerade bei einer Welle unter die Badeplattform eines Seglers gekommen wäre! „Hat der nix anderes zu tun, als mit dem Fernglas das Dinghy zu beobachten?“ – denk ich mir, lege wortlos auf, stapfe zurück und bringe das Dinghy aus der Gefahrenzone!
Angespannte Zeiten auf ELMO! Die Nerven liegen ein wenig blank und während ich versuche, mein Hirn positiv zu programmieren, meckert Matthias, daSs er das ja alles garnicht so wirklich wollte mit dem Rauchen aufzuhören, dass er überhaupt nicht darauf vorbereitet gewesen wäre.
Ich erkläre ihm zum x-ten Mal, dass er ein Mensch ist, der einen eigenen Kopf und Willen hat und seine eigenen Entscheidungen treffen kann. Aber irgendwie traut er sich dann doch nicht, ein Päckchen Zigaretten zu kaufen. Nachdem die Stimmung immer noch nicht am Höhepunkt ist, ein Spaziergang mit Oktopussichtung und Müllsammeln auch nicht geholfen hat, der Kaffee und ein Club Sandwich sich, ohne Zigarette danach, irgendwie immer noch seltsam anfühlt, kauft sich Matthias wieder ’ne Schachtel Zigaretten und ich grummel vor mich hin, während ich an meinem dritten Lolli in einer Stunde rumlutsche.
Ägina hat uns nicht wirklich überzeugt, auch wenn der Ankerplatz vor der Stadt aus tollstem Sand bestand und wir im Hafen mit dem Dinghy sehr freundlich empfangen wurden. Für ein paar Nächte mit Wind und Regen, verholen wir uns dann doch lieber in eine kleine Bucht südöstlich von Ägina. Sami, ein kleiner roter Segler, hat mal wieder genau dort den Anker geworfen, wo Matthias unser Stück Metall versenken wollte. Seit 2 Tagen geht es uns schon so. Und so soll es auch in Poros sein!
Poros, eine Stadt, die alles verändert!
Nach langem auf-der-Seekarte-rumgucken-und-den-besten-Ankerplatz-ausfindig-machen, haben wir unseren Platz gefunden. Als wir in Poros ankommen, liegt Sami genau an dieser Stelle. Wir schmeißen trotzdem unser Metall vor einem Militärgebiet ins Wasser und wieder geht’s mit dem Dinghy an Land zum joggen. Vorbei an einer toten Möwe und einem selbst gezimmerten Katamaran, der als Hornbach Projekt gefeiert wurde und nun seit einiger Zeit zum Verkauf steht, schleppe ich mich bis in die Russian Bay und wieder zurück. Matthias hat derweil den Ankerplatz als nicht sicher deklariert und möchte an einen Pontoon. Wir benötigen eh Wasser und Strom wäre auch nicht schlecht. ELMO schwabbelt im Schwell der Fähre, am Pontoon vor der wunderschönen Stadt, die sich einen Berg hochschmiegt und wir beginnen diese Seite von Griechenland sehr zu mögen! Wir verlaufen uns in den Gässchen, stehen plötzlich am ganz anderen Ende, wo wir garnicht hin wollten. Freuen uns, denn dort hat man auch einen wundervollen Ausblick und entdecken immer wieder neue Dinge an jeder Straßenecke, kaufen frisches, duftendes Brot und unser erstes Eis des Jahres, die Blumen blühen in den wildesten Signalfarben und man hat das Gefühl, hier ist Leben in jeder Ecke der Stadt. Gutes, ruhiges Leben.
Am nächsten Morgen werden wir von lauten Geräuschen geweckt. Ein Boot macht neben uns fest. Als Matthias halb verschlafen aus dem Bett aufspringt, stellt er fest, dass es Marvin mit einer Crew von Join The Crew ist. Marvin skippert gerade den Sail&Clean-Törn und sammelt mit fleißigen Helfern bis zu 20 Müllsäcke am Tag an den Stränden Griechenlands zusammen. Es ist echt verrückt, wieviel Müll selbst im Mittelmeer herumschwimmt. Auch wir finden uns oft müllsammelnd an irgendwelchen Stränden wieder. Sowas macht traurig und frustriert uns oft, weil man nicht so viel Müll sammeln kann, wie rumliegt. Nach einem kurzen Gespräch und einem Frühstücksdrink geht’s für die Crew von JTC weiter und wir beginnen unseren Tag in Poros.
Seit Tagen muss ich immer wieder an die Heimat, an Freunde und Familie denken, fühle mich mies, dass man nicht Ostern zusammen verbringen konnte.
Bei dem Gedanken, noch bis zum Ende unserer Reise darauf zu warten, die bekannten Gesichter zu sehen und den Menschen, die man lieb hat auch physisch nahe zu sein, bekomme ich sofort einen dicken Klos im Hals und die Tränen lassen sich nicht zurückhalten, auch wenn man gerade am schönsten Ort der Welt ist. Matthias bleibt das alles auch nicht verborgen und er beginnt Flüge herauszusuchen. Eine Stunde später steht fest – ich flieg schon bald nach Deutschland. Matthias will auf ELMO warten in Porto Heli, einer geschützten Bucht am Peloponnes.
Ostern in Ermioni
Schon bald geht es über eine verlassene Bucht, in der noch irgendwelche Beförderungsanlagen an den Klippen angebracht sind und verlassene Fabrikgebäude an Land, nach Ermioni. Pünktlich zum griechisch-orthodoxen Ostern, welches eine Woche später als das christliche Ostern stattfindet. Die Stadt wird mit riesigen Plastikeiern präpariert, der Judas mitten im Hafenbecken aufgestellt und mit Benzinkanistern und Gaskartuschen bestückt. Wir stocken erst mal auf, machen uns bei den Streunern bekannt und lehnen dankend die selbst geflochtenen Körbe der Gypsies ab. Diese kleine Stadt ist echt knuffig. Man merkt zwar mittlerweile an den Preisen, dass man nun im Touristengebiet gelandet ist, aber man muss sich ja auch nicht unbedingt irgendwelche T-Shirts, Kleider und Hosen kaufen.
In Ermioni kann man, ganz im Gegensatz zu Hydra, das Boot ohne Bedenken vor Anker oder am Stadtquai liegen lassen.
Schnell ins Fährbüro gehopst, eine Fahrkarte für 7€ besorgt und schon finden wir uns auf der Ultrahochgeschwindigkeitsfähre nach Hydra wieder. Ok – so „Ultrahochgeschwindigkeit“ ist die Fähre jetzt auch nicht, aber 20 Knoten lassen uns die Haare ins Gesicht peitschen, wir hüpfen auf den harten, selbst zusammen gezimmerten Holzbänkchen unsanft auf und ab, während der Bug der Fähre gnadenlos auf die kleine Hackwelle und die Insel ohne Fahrzeuge zuhält.
Hydra – Das Schmuckkästchen.
Schon von Weitem sieht Hydra phantastisch aus! Die Häuschen mit den orangenen Dächern kommen immer näher. Bei dem Betrieb an Taxibooten, Fähren, Seglern und Fischern sind wir unglaublich froh, nicht mit ELMO hier aufzukreuzen! Wir werden mit einem Haufen anderen Touristen von der Fähre direkt an die Stadtpromenade ausgebrochen und stehen auf dem steinigen Boden der Insel. Bevor wir den Berg erklimmen wollen, um von oben einen Blick auf den Hafen und das Ankerspektakel dort zu erhaschen, lassen wir uns ohne wirklichen Plan durch die Straßen treiben. Vorbei an unglaublich süßen Geschäften, schicken Läden und Restaurants, bei denen es einem das Wasser, schon beim Anschauen, im Mund zusammenlaufen lässt, zieht es uns dann aber doch hinauf. Wir wollen von oben gucken! Wir laufen tausende Treppen hoch (was wohl der Grund ist, warum es hier nur ein Müllauto, einen Krankenwagen und ein Polizeiauto auf der Insel gibt). Schwitzen, erhaschen Gyrosgerüche und landen in irgendwelchen Sackgassen. Wir haben kein Glück beim Aufstieg. Finden uns in einer alten Ruine wieder, wo wir unser Klettertalent unter Beweis stellen können. Als wir auf einer Pferdekoppel landen, treten wir den Rückzug an und entscheiden uns für ein Mittagessen, irgendwo, wo man auf das Meer gucken kann. Und dann schaffen wir es doch noch, vom phantastischen Mittagessen und einer viel zu süßen Hausgemachten Limo gestärkt, hoch auf den Berg. Überall hört man Musik aber man sieht die Leute nicht, sie sitzen mit ihren Familien im Garten, hinter weißen Mauern und buschigen Pflanzen und genießen die Festtage beim Essen. Am höchsten Punkt verschnaufen wir eine ganze Stunde, schauen uns die phantastische Aussicht an, lassen es wirken, freuen uns wie Bolle weil wir die Einzigen sind, die hier oben sitzen und warten auf das Hafenkino, was an diesem Tag aus bleibt. Wir sind unglaublich ausgelassen, froh und genießen jede Sekunde! Es ist toll, fühlt sich wahnsinnig unbeschwert und gut an. Jetzt ist der Winter definitiv vergessen!
Am Abend können wir von ELMO aus die Festlichkeiten in der Stadt Ermioni genießen, nachdem wir noch schnell von unserem Ankerplatz mit den Worten „We put explosives here!“ (Wir werden explosives Material hier deponieren!) verscheucht wurden. Schon kurz nachdem wir den Anker umgelegt haben, geht das ganze Spektakel los. Eine geschmacklose Laseranimation zu dem Soundtrack von „Der Fluch der Karibik“ ist auf dem Berg gegenüber zu sehen, entziffern können wir die Worte, die in neongrün und LED-blau blinken, nicht wirklich, aber es ist interessant den kleinen Fischerbooten zuzuschauen, die gleichzeitig ihre Notfallsignalmittel in die Gegend abfeuern. Orangener Rauch schwebt auf dem Meer und ich bin froh, dass wir noch keines unserer Signalmittel verwenden mussten, denn soooo gut sind die jetzt nicht zu sehen! Plötzlich – es ist schon längst dunkel geworden – ertönt ein lauter Knall! Das Feuerwerk geht los, die kleinen Fischerbötchen drehen am Rad, fahren Hupend, pfeifend und johlend durch die Gegend und treffen sich im Hafenbecken. Der Judas wird umkreist, das Feuerwerk geht genau dort nieder, wo ELMO vorher noch gestanden hat und am Höhepunkt bewerfen die Fischer den Judas mit einer Feuerfackel und befördern ihn, mit viel Knallerei und Getöse, auf den Benzinscheiterhaufen. Im Hintergrund läuft eine kitschige italienische Arie. Danach ist Ruhe und Ostern, jetzt auch in Griechenland, vorbei.
Am Morgen haben wir das erste Mal Nebel vor Anker. Es ist verrückt. Die Augen kann ich noch kaum offen halten, da sehe ich nicht die Fischer, die an uns vorbeifahren, sondern höre sie nur, so heftig ist der Nebel. Als ich wach genug bin um die Kamera zu halten, ist der Nebel schon fast wieder verflogen. Wir müssen weiter nach Porto Heli. Dort wird Matthias ein paar Tage auf mich warten, während ich nach Deutschland fliege. Porto Heli ist ein Bonzenviertel, zumindest der Bereich um Porto Heli rum, da wo man in glasklarem, türkisfarbenen Wasser baden kann und wunderschöne Strände hat. In solch einer Bucht lassen wir den Anker fallen. Um mir die Beine ein wenig zu vertreten, fährt mich Matthias an Land.
Ausgesperrt im bonzenviertel!
Was ich nicht bemerke – ich stehe im Garten einer Familie. Die Dame des Hauses macht mich dann irgendwann darauf aufmerksam. Ich versuche auf halb gebrochenem griechisch und englisch zu erklären, dass ich einfach nur eine Runde spazieren gehen möchte. Sie zeigt mir den Weg zu einer asphaltierten Straße. Ich trotte die Straße entlang, an weiteren Häusern vorbei, bis ich zu einem großen Tor komme. Es ist offen und ich gehe weiter. Als der Abstand wohl groß genug ist, schiebt sich das Tor wie von Geisterhand zu. Ich wurde ausgesperrt! Dank der hohen Zäune komme ich nicht mehr rein. Ich versuche einen Waldweg, der auf Google Maps eingezeichnet ist, entlang zu laufen, laut Internet käme ich genau auf der anderen Seite von ELMO raus und Matthias bräuchte mich nur auf der Seite einzusammeln. Fehlanzeige! Ein riesiges Tor mit einem Schild besagt, dass das nun auch Privatgelände ist und nicht betreten werden darf. Ich hangle mich entlang an einer Straße. Alle Grundstücke, die zum Meer führen sind entweder mit Stacheldraht, oder dicken Steinmauern abgetrennt. Auf der Seite des Grundstücks kläfft ein scharf gemachter Hund und wartet nur darauf, in meine zarten Beinchen zu beißen. Es bringt nichts! Ich laufe weitere 6 km bis nach Porto Heli und Matthias sammelt mich über eine Stunde später an einem kleinen Dinghydock ein. Genug Sport für heute! Und eine wichtige Erkenntnis erlangt: Das Gesetz, das besagt, dass die ersten 20 Meter der Küstenlinie der Allgemeinheit gehören, das gibt es nur in Spanien und Italien!
In der Nacht ist Sturm. Wir gucken Game of Thrones in der Vorschiffskabine. Die Böen zischen durch die Bucht und wir sind nicht mehr im Kopf in King’s Landing sondern genau hier, in Griechenland, als wir auf dem Ankeralarm bemerken, dass etwas nicht stimmt. Wir hängen an einer Stelle, die nicht üblich ist. Normal müssten wir satt im Anker hängen, jedoch hängen wir nur 15-20 Meter von dem Punkt entfernt, an dem wir eigentlich sein sollten. Matthias fragt sich schon, ob ich den Ankeralarm zu früh gesetzt habe, in dem Moment kommt eine heftige Böe, ein starkes Knarzen und wir driften in wenigen Sekunden 20 Meter nach hinten.
Ein verrücktes Gefühl, denn in der Zeit, in der wir 20 Meter gedriftet sind, können wir garnicht schnell genug aus dem Salon ins Cockpit hechten, obwohl es noch nicht mal 8 Meter zu laufen sind! Den Anker zu verlieren muss ein verdammt beschissenes gefühl sein! – ich hoffe inständig das sowas nicht so schnell passiert!
Nach einer Weile ist alles wieder ok. Wir haben irgendwo mit der Kette festgehangen. Am nächsten Morgen wird an einer anderen Stelle geankert und nochmal alles überprüft, bevor Matthias solche Situationen in den nächsten Tagen alleine bewältigen müsste.
Nafplion ist mal Griechenlands Hauptstadt gewesen und soll unglaublich toll sein.
Wir müssen eh ein kleines Autochen mieten um nach Athen an den Flughafen zu kommen, also machen wir noch einen kleinen Abstecher nach Nafplion. Die Stadt ist toll, es gibt viele Touristen, vielleicht liegt das aber auch an der Boatshow, die dort gerade statt findet. Gypsies verkaufen Blumenkränze fürs Haar und sehen dreckiger aus als die Gypsies in Lefkas. Die Blumenkränze sind wohl eine griechische Tradition zum Beginn des Frühlings am 1. Mai.
Fast eine Woche ist vergangen. Matthias ist es in Porto Heli gut ergangen. Er hat sich ein paar sturmfreie Tage an Bord gemacht, ist im Internet versunken, hat Wäsche gewaschen und die Ruhe genossen! Ich hatte Freunde und Familie um mich rum, bin altbekannte Wege gelaufen, Straßen gefahren, bei denen man genau weiß, was hinter der nächsten Kurve auf einen wartet und habe Heimat getankt! Eigentlich gut gerüstet für die nächsten Monate an Bord in der Fremde oder?!
Eine Rückkehr, bei der einfach mal alles schief geht!
Nachdem ich dem silbernen Golf meiner Eltern hinterhergewunken habe, beinahe den Flug verpasst hätte, weil ich 1,5 Stunden in einer unmenschlichen Schlange vor der Sicherheitskontrolle am Frankfurter Flughafen stand, mich zum ersten Mal in solch einer Schlange vorgedrängelt habe, durch den halben Flughafen gerannt bin und plötzlich vollkommen außer Atem (Ernsthaft?! Mein Körper ist doch nach ein paar Wochen joggen jetzt eigentlich im Training!) vorm Check-In gestanden habe, gerade noch so in den Bus zum Flieger stolpern konnte, fange ich an zu heulen! Aber so richtig. Ohne Grund! Einfach so und ich weiß nicht, wie mir geschieht und warum ich das jetzt grad mache. Ich vergrabe meinen Kopf in meine Tasche, die auf den Beinen liegt und hoffe, dass es jetzt schnell Richtung Flugzeug geht. Auch im Flugzeug kann ich einfach nicht aufhören zu weinen. Ich heul doch eigentlich garnicht so schnell! Dicke Tränen kullern über die Wangen, während mir der Steward ein Kinder Bueno schenkt und mir zusätzlich 5 Servietten in die Hand drückt. Verdammte Scheiße! Was ist denn nur los mit mir?! Ich bin doch wohl nicht traurig, dass ich jetzt zurück nach Griechenland fliege, zu Matthias, zu ELMO! Eine Stunde dauert die erste Busfahrt vom Flughafen bis zum Busbahnhof. Ich heule und werde von Griechen bemitleidet. Am Busbahnhof muss ich vier Stunden warten – ich heule. Gerade frage ich mich, ob ich mir vielleicht eine verspiegelte Sonnenbrille kaufen soll, als Matthias anruft und ich ihm ins Ohr plärre. Ich find grad alles scheiße! Busfahren ist, so oder so, nicht gerade meine Lieblingsbeschäftigung, denn ich hasse es, mit vielen Menschen in schlecht klimatisierten, engen Räumen zu sitzen, wenn es dann noch schwankt und einem schlecht wird und es noch nicht mal eine Toilette gibt, ist es meine kleine persönliche Horrorvorstellung! Zu allem Überfluss muss ich mir jetzt noch eine Fahrkarte ins 4 Stunden entfernte Porto Heli kaufen. Die Dame nimmt mein Geld entgegen und als ich frage, an welchen Bussteig ich mich stellen muss, sagt sie 37. Ich frage noch mal nach: „37?“. „Ja! 37“ bestätigt sie! Überpünktlich stehe ich total verheult an Bussteig 37 und steige mit etlichen Leuten ein. Ich pflanz mich ans Fenster, drehe mich so, dass mich niemand sieht und muss schon wieder heulen. Boooaaaah! Hört das denn nie auf?! – Ich geh mir mittlerweile schon tierisch selber auf die Nerven. Aber es bringt nichts. Die Tränen lassen sich nicht zurückhalten. Irgendwann bin ich weggedöst, mir ist nicht mehr allzu schlecht und werde wach, als ich die bekannten Gebäude von Nafplion sehe. „Ach, fahren wir über Nafplion, dann dauert es ja nur noch 1,5 bis maximal 2 Stunden.“ – denke ich mir, als der Busfahrer auf mich zu kommt. Er deutet mir an, meine Ohrstöpsel rauszunehmen und fragt, was ich hier noch mache. Ich erwidere ihm, dass ich ein Busticket nach Porto Heli gekauft hätte und nach Porto Heli fahren würde, mit diesem Bus. Er sagt „Das ist Endstation hier!“. Mir wird wieder schlecht, die Tränen schießen sofort ins Dachgeschoss meines Körpers und mein Herz ins Souterrain. Ich versteh immer noch nicht, warum ich plötzlich so nah am Wasser gebaut bin! Der Busfahrer hat sowas, nach seinem Gesicht zu urteilen, auch noch nicht erlebt und sagt: „Aber der Bus nach Porto Heli ist doch auf der 36 abgefahren!“. Ich entschuldige mich und verlasse heulend den Bus. Nachdem ich laut fluchend auf dem Bordstein sitzend ein paar alte Männer vergrault habe, die alle fragen wollen, ob es mir gut geht, rufe ich Matthias an und frage ob er noch mal einen Mietwagen holen kann, um mich abzuholen, was er dann auch ohne irgendwelche blöden Sprüche zu reißen sofort tut. Oh ich liebe diesen Mann! Nachdem ich im kleinen weißen Nissan sitze ist alles wieder gut. Der Tränenfluss ist gestoppt und ich hab einen Mords Hunger! In Porto Heli schaufel ich mir eine Pizza, einen Salat und drei Kugeln Eis rein und schlafe selig auf ELMO ein. Was für ein verrückter Tag!
Den Mietwagen haben wir jetzt noch ein Weilchen, also können wir, am nächsten Tag, auch noch ein wenig die Gegend erkunden. Wir entdecken ein verlassenes Hotel, in dem irgendwer Frauenunterwäsche, Bikinis, Stöckelschuhe und einschlägige DVDs und VHS-Kassetten gehortet hat, uns dreht sich der Magen um. Der Rest vom Lost Hotel ist eigentlich ganz interessant. Die Feigen an der Straße riechen unglaublich intensiv und ich erfreue mich daran, dass mein Geruchs- und Geschmackssinn endlich wieder vorhanden ist und schwärme Matthias davon vor! Ich feiere gerade das Nichtrauchen und nuckel an meiner E-Zigarette, wenn’s mal so richtig schlimm wird. Schon bald brechen wir auf nach Dokos. Als ich immer besser rieche und schmecke und meine Gefühle Achterbahn fahren, denke ich mir, dass es mal Zeit wäre, einen Schwangerschaftstest zu holen. Ich beruhige mich: „Die zwei Tage, die ich in Deutschland die Tage gehabt hab, sind bestimmt stressbedingt gewesen! Hattest ja auch viel Stress in den letzten Tagen *hust*, war ja alles aufregend und so. Da kann sich schon mal was verschieben oder früher aufhören, auch wenn man sonst immer die Uhr danach stellen kann und haargenau weiß, wie lange es dauert!“
Blinder Passagier an Bord…
…für die nächsten 9 Monate!
Der Schwangerschaftstest, den wir uns in Poros besorgt haben, als wir Linda und Dale wiedergetroffen haben und Wasser auftankten, war allerdings anderer Meinung. Der sagte nämlich:
„Sooo, werdet jetzt mal schnell erwachsen! In ein paar Monaten werdet ihr Eltern!“
Mit aufgerissenen Augen stehe ich im Niedergang, zwischen Poros und einer Naturbucht südöstlich von Poros und bringe nichts anderes als „Upsi“ über die Lippen. Matthias lacht und sagt „Herzlichen Glückwunsch, wir werden dann jetzt wohl Eltern!“.