Das Wetter hat gute Laune, die Sonne strahlt wie ein Honigkuchenpferd und man kann sich auch außen noch mit leichter Bekleidung aufhalten, dennoch haben wir einen festen Winterliegeplatz in der Marina Lefkas gebucht.
Byebye Ankerleben,
byebye Buchtenbummeln,
Hallo Marina!
Es ist Viertel vor Anreisetag der Elternreisegruppe und in der Marina warten auch schon ein paar befreundete Liveaboards, die ebenfalls den Winter hier verbringen wollen. Wir tuckern medium gelaunt durch den trüben Kanal, gefolgt von einem beißenden Geruch an verbrannter Müllkippe. Vor ein paar Tagen haben wir noch das wunderschöne Orange am Abend angeschaut, doch nun wird klar – es war die Müllkippe, direkt neben der Marina, die lichterloh brannte. Die Luft ist von einem abartigen Geruch geschwängert, die mit Sicherheit nicht ganz ungiftig ist.
Besuch für’s Herz und die Seele!
Wir werden herzlich willkommen geheißen von Gemma und Nick und auch von den Marineros. Schon am nächsten Tag kommen die Eltern, früher als gedacht mit einem Mietwagen aus Ioannina angerauscht. Endlich wieder die Lieben in die Arme nehmen, quatschen und vertraute Gesichter sehen. Als Eltern-WG haben wir dieses Mal ein kleines Airbnb-Appartment in der Innenstadt nahe der Lagune gemietet und sind total aus dem Häuschen, als wir sehen, mit wieviel Liebe, Eigeninitiative und Kreativität dieses wunderschöne Häuschen hergerichtet wurde. Alles wurde mit perfekter Handwerkskunst selbst gezimmert! Die Küchenmöbel sind aus alten Hölzern entstanden, die mal am Haus verbaut waren. Selbst die Türklinken und Lampen sind aus Treibholz, welches der Hausherr am Strand aufgelesen hat. Und das Beste – es hat eine Waschmaschine, die direkt beladen wird, noch bevor die Eltern ihre Koffer ausgeräumt haben. Wäsche machen ist hier echt ein Krampf, wenn man sich nicht den Luxus gegönnt hat und eine Waschmaschine auf dem Boot mit sich rumfährt.
Die nächste Woche wird ereignisreich! Wir haben uns die wenigen Sehenswürdigkeiten für unsere Eltern aufbewahrt und können so gemeinsam mit ihnen zum ersten Mal die Insel erkunden. Jeder Morgen beginnt mit einem opulenten Frühstück im Freien auf der Terrasse. Wir halten gemeinsam die Füße ins noch warme Meer, gurken mit den Mietwagen über die kurvenreiche Insel, strolchen durch ein Kloster mit angeschlossenem Tierpark, in dem wir am liebsten alle Käfige aufreißen würden um die Tiere frei zu lassen und halten an Klippen auf der Westseite Lefkadas, um einen Blick aus der Vogelperspektive auf die wahnsinnigen Strände der Insel zu werfen. Der südlichste Punkt der Insel zieht uns an wie ein Magnet. Dort soll es einen Leuchtturm geben. Mein Vater hat glücklicher Weise vorher schon recherchiert, was es hier so alles zu sehen gibt. Am Leuchtturm angekommen treffen wir auf ein verrücktes Insekt, das einem Stock zum Verwechseln ähnlich sieht, stehen sprachlos an den hohen Klippen und schauen einer Fähre zu, wie sie die Enge zwischen Lefkas und Ithaki passiert. Zum Sonnenuntergang fahren wir die Serpentinen durch die Berge und erhaschen ein paar wunderschöne Blickwinkel auf die Insellandschaft vor dem Festland in der sanften Abendsonne.
Wir bummeln durch die Stadt, die Väter sehen wohl etwas hungrig aus und bekommen ein traditionelles Gebäck in der Kirche geschenkt, bevor es dann doch in ein Restaurant zum Speisen geht. Die Wasserfälle von Nidri haben wir uns für den nächsten Tag aufgespart. Wir parken den Mietwagen und wandern durch eine nasse Schlucht, über glitschige Steine, gefolgt von einem kleinen Kätzchen, das sich immer wieder zwischen unsere Füße wurschtelt. Matthias ist trotz Allergie hin- und hergerissen – adoptieren oder hierlassen?! Wir entscheiden uns für Plan B. Die Natur hier ist überwältigend und das kalte, klare Wasser fließt rauschend durch das ausgewaschene Flußbett. Hier und da entdeckt man Frösche. Auf der Rücktour gehen wir in einem Bergdörfchen verloren und schaffen es nur mit Mühe die Mietwagen auf den kleinen, engen Straßen zu wenden. Es ist ein gutes Gefühl die Eltern da zu haben. Wir genießen die Abende bei endlosen Matratzendiskussionen für unsere Vorschiffskabine und Rätselraten auf dem Sofa bis die Köpfe rauchen. Auch ist es ein Muss, durch die Gässchen der Stadt zu laufen. Hier geht man verloren und das ist unglaublich spannend, denn an jeder Ecke trifft man auf neues Interessantes. Die Bäume tragen Zitronen oder Orangen, hier gibt es nicht das typische griechische Stadtbild von weißgetünchten Häusern mit blauen Fensterläden. Alles ist bunt und etwas abgerockt. Es ist ruhig und von touristischer Aufregung ist nichts mehr zu spüren. Es geht auf den Winter zu und das merkt man sehr stark. Denn auch als wir gemeinsam in eine nahe gelegene Bucht segeln, gibt es keinen Ankerlieger weit und breit. Matthias und ich genießen das letzte Mal das Baden im Meer, die Eltern lehnen dankend ab und warten mit Kaffee und Leckereien im Cockpit. Am letzten Abend beschert uns Mutter Natur noch eine Hochdruckwäsche von oben und wir bekommen das erste Mal am eigenen Leib zu spüren, was hier „Regen“ heißt, als wir bis über die Knöchel im Wasser stehen, während wir pitschnass zurück zur Marina stapfen. Und piffpaff ist die Woche schon wieder rum! Die Zeit gleicht einem Fingerschnipp. Auf nach Ioannina an den Flughafen und dem Flieger hinterherwinken, mit dem die Mamas und Papas wieder auf ihre Reise nach Athen gehen, bevor sie von dort nach Deutschland fliegen.
In Ioannina und auch bei IKEA machen wir noch einen kleinen Zwischenstopp, eine neue Matratze packen wir allerdings noch nicht ein. Wir sind uns nicht wirklich einig, was das Sinnvollste ist, also wird diese Diskussion vertagt.
Die Liveaboard-Community veranstaltet eine Welcome-Party im Porto Café, der Seele des Hafens. Hier trifft sich jeder von alt bis jung von früh bis spät. Wir lernen viele Namen neuer Leute kennen, die ich schon kurz darauf wieder vergessen habe. Aber wie soll man sich auch an etwa 80 verschiedene Namen und Gesichter erinnern?! Viele Leute verbringen den Winter hier auf ihren Booten. Es werden Kurse angeboten, es wird gewandert, getanzt und gewerkelt. Um die 50 Boote feiern hier den Beginn des Winters. Der Abend ist feuchtfröhlich und wir wachen am nächsten Morgen mit einem leichten bis mittelschweren Kater auf.
Nass, nässer, Lefkas im Winter!
Das es nass werden würde, hat man uns schon vorher gesagt. Wir haben mit den Schultern gezuckt und gedacht „Grauer und nasser als ein Winter in Deutschland wird es wohl nicht werden!“. Schwachsinn! Es wird krass nass!
Es scheint als würde der Himmel alles über Lefkas ausschütten, was er zu bieten hat!
Innerhalb von Sekunden kann man nicht mehr über die Straße laufen, ist man bis auf die Unterhose nass und denkt sich: „Mein Gott, die nächste Sintflut kommt!“. Im Boot wird’s ebenfalls nass! Dank der hohen Luftfeuchtigkeit tropft es von der Decke. Das schafft Enrique Elektro, unser kleiner Elektroheizlüfter, nicht mehr alleine! Er benötigt einen Freund und so machen wir uns auf die Suche nach einem Luftentfeuchter. Glücklicher Weise bekommen wir einen, der als Abfallprodukt auch noch Wärme abwirft, denn er arbeitet ohne Kompressor sondern ist für niedrige Temperaturen gemacht und arbeitet wie ein Katalysator. Wir finden das Prachtstück für einen Haufen Geld im örtlichen Baumarkt und nennen ihn Eros Entsafter. Welcome to the family! Eros tut einen Monster Job. Jeden Morgen und Mittag schütten wir um die zwei Liter Wasser weg. Trinken wollen wir es nicht, auch wenn Alex von der Kleopatra es schon getestet und für gut befunden hat.
Wir wettern mehrere Stürme im Hafenbecken ab, springen bei Nacht raus, in den wie wild herunterprasselnden Regen, um die Fender an Ort und Stelle zu stupsen und bekommen Panik als uns die zwei dicken Boote neben uns einquetschen. Die sind nämlich eher laissez faire festgemacht. Wir stehen im Salon, schauen aus dem oberen Fenster und können den Wasserpass des anderen Schiffes auf Augenhöhe sehen. Eine Bierdose ergießt sich, das Olivenglas verhakt sich zum Glück auf der Arbeitsplatte und fällt nicht um. Wir krängen. Mitten in der Nacht schreibt Matthias eine E-Mail an den Marinamanager und bittet um ein Gespräch. Am nächsten Morgen dürfen wir umziehen, auf einen Platz unserer Wahl! Wir liegen am Deutschen Pontoon, da wo die Veligandu von Fritz und Karin, mit Luna ihrer Pudelhündin, liegen. Wir können Springs ausbringen und freuen uns über Platzverhältnisse wie in Valencia. Kein Bibbern mehr bei Sturm, Hagel, Gewitter und Platzregen! Fritz und Karin sind schon 15 Jahre hier im Hafen und leben auf ihrem Katamaran. Einen Sturm, wie diesen, hat Fritz selten mitbekommen, sagt er.
Einige Wetterstationen messen bis zu 70 Knoten, bei einer anderen Wetterstation ist direkt alles weggeflogen – Messwerte gibt’s nun nicht mehr!
Wie beschäftigt man sich wenn‘s nichts zu tun gibt?
Manchmal ist das Wetter gut, dann schaffen wir es, unsere beiden Füße vor die Tür zu setzen. Matthias wird beim Friseur geschoren mit der gleichen Hingabe, wie man ein Schaf schert und wünscht sich die sanften Hände von Roland, seinem Friseur aus Köln zurück. Beim Versuch ein Päckchen meiner Eltern entgegenzunehmen, verzweifle ich regelrecht. Das Marina Office nimmt keine Päckchen an, für die man Unterschriften leisten muss. Die Sendungsverfolgung sagt, dass das Päckchen in Lefkas ist. Nur wo? Im Porto Café ist nichts angekommen, beim Pförtner nicht, bei der Post nicht. Nach zwei Tagen Rumtelefoniererei und Rumrennerei finde ich das Päckchen schließlich in einem Mikrooffice eines Kurierdienstes im letzten Winkel der Stadt.
Die griechische Organisation ist nicht mit Talent gesegnet und treibt uns bisweilen in den Wahnsinn!
Aus diesem Grund bestellen wir unser neue Matratze ins Porto Café. Stefanie, die nette Besitzerin, nimmt sie für uns entgegen und unterschreibt. Da sitzen wir nun am Steg mit Malvik, Tussøy und einem Brotmesser und schneiden unsere Matratzen zurecht, gerade noch rechtzeitig bevor es mal wieder anfängt sich über komplett Lefkada zu ergießen.
Wir beide sind nicht so die Standardtanz- und Hikingmenschen, auch Quiznights und Happy Hours scheinen nicht so ganz das Unsere zu sein. Was machen, wenn man 5 Monate im Hafen abhängen soll? In der Stadt kennen wir nun jeden Winkel und auch die Steine am Strand habe ich gefühlt schon 20 mal umgedreht. Matthias beginnt einen Gitarrenkurs und steht im Krieg mit seinen Wurstfingern und dem schmalen Hals der Gitarre. Ich weiß das ich durchdrehen werde wenn ich nichts zu tun hab. Netflix leersuchten erscheint wie verlorene Lebenszeit. Leider sind Menschen nicht dafür gemacht Winterschlaf zu halten, man wacht doch immer wieder auf! Also was sinnvolles muss her, etwas, das der Insel hilft und gut ist für die Seele!
Herrenlose Katzen gibt’s hier massenhaft, schade, dass ich nicht so der Katzenmensch bin! Aber mit Hunden kann ich sehr gut. Das Internet wird nach Organisationen durchforstet, die sich um die Streuner hier auf der Insel kümmern. Immer wieder lande ich bei Facebook auf zwei Profilen: Sallie und Marta. Marta hat einen Pet Shop in Lefkas. Ab auf’s Radl und mal nachforschen, ob sie zwei weitere Hände benötigen. Der Laden hat zu. Griechische Siesta. Auch im Winter! Beim zweiten Anlauf klappt es dann endlich. Keinen Tag später lerne ich Marta und Sallie kennen und die unglaubliche Arbeit, die die Beiden hier auf der Insel Tag für Tag leisten. Doch dazu werde ich einen eigenen Blogbeitrag schreiben, das sprengt hier alle Zeilen!
Chris und Bonita sind auch in Lefkas angekommen und wir genießen es, ein bekanntes Gesicht zu sehen. Es scheint komisch, aber momentan haben wir keine Lust neue Leute kennenzulernen. Wir möchten nicht die gleiche Geschichte immer wieder erzählen. Wir haben Lust auf Gespräche, die tiefere Inhalte haben, mit Menschen die uns schon kennen. Und wenn man ganz ehrlich ist, dann möchte man Gespräche mit Freunden und Familie führen, die einen auch schon länger als ein paar Monate kennen, die wissen, wie man tickt. Kommt da etwa das Heimweh um die Ecke geflogen?
Das Wetter wird merklich schlechter, die Temperaturen kälter und schon bald erspähen wir den ersten Schnee, während die Kids mit ihren Optis noch Segelschule im Hafen und Kanal haben. Höchste Zeit nach Deutschland zu fliegen und Weihnachten zu feiern!