Viel zu viel rumgegammelt in Porto Conte! Uns zieht es in die Stadt. Genauer gesagt nach Alghero. ELMO muss vor dem Hafen auf uns warten. Für einen Kurzbesuch möchten wir keine Moneten aus den Luken werfen, sondern lieber das Dinghi ins Wasser und schmeißen den Außenborder an. Im Hafen gibt es zwar einen Freeloader-Platz an der Stadtpier, aber der ist schmal und natürlich schon belegt. Für das kleinste Dingi der Welt findet man aber immer noch einen Parkplatz. Sprachlich hängen wir noch in Spanien fest. Es ist schwer umzuswitchen – wir grüßen mit ¡Hola buenas! und verabschieden uns aus kleinen Geschäftchen, in denen wir nach einer Sardischen Gastlandflagge Ausschau halten, mit ¡Adios! – was anscheinend völlig ok ist, denn in „klein Barcelona“, wie Alghero auch genannt wird, versteht man unser Spanisch und spricht Katalanisch sowie Italienisch. Ein paar Kolonisten aus Barcelona haben die Stadt 1372, nach einem Aufstand gegen den aragonischen König, neu besiedelt. Katalanisch wird bis heute noch in manchen Familien gesprochen.
Die Stadt schreit einem schon fast das Wort „upcycling“ entgegen, sobald man durch die dicke Stadtmauer geht. Überall hängen bunte Lampions aus allerlei Stofffetzen, die ihre Form von alten Fahrradspeichen vorgegeben bekommen.
An den Wänden hängen alte Konservendosen, die liebevoll bemalt und mit farbenprächtigen Blumen bestückt wurden. Große, kunstvolle Plastikgallonen sind ihrer eigentlichen Bestimmung entmachtet worden, hängen ebenfalls an bunten Bändern und sind festlich bepflanzt.
Viele Jahre auf dem Buckel – was ist das Geheimnis eines extrem langen Lebens der Sarden?
Riesige Portrait-Fotografien an Bauwerken zeigen Algheros uralte Bürger. Hier wird man alt – richtig alt! Bis zu 114 Jahre lesen wir. Die Sarden schwören auf ihr gutes Essen, den wunderbaren Wein und ihre Einstellung zum Leben. Was genau das Erfolgsrezept für solch ein langes Leben ist weiß aber keiner so richtig. Wir sind auf alle Fälle für Vorschläge offen! Durch die Kopfsteinpflastergässchen erlaufen wir uns viele schöne Ecken und stehen am Nachmittag vor einer knallbunten Kirchturmkuppel. Wir gönnen uns die erste italienische Pizza, bevor wir wieder ins Dinghi steigen und davonknattern. Vor dem Hafen möchten wir keine Nacht verbringen, wir nehmen wieder Kurs auf Porto Conte.
Viel zu viele Knoten Wind auf ELMOs Nase und mit viel Welle durch die Fornelli passage!
Am nächsten Tag soll ein Gewitter mit viel Wind durchrauschen. Und das tut es! Jetzt kann sich unser Anker noch mal beweisen. Bei 50 Knoten Wind nickt ELMO mit dem Bug in die Wellen, taucht ein und wieder auf. Der Anker hält, die Landschaft um uns herum, bietet ein prächtiges Farbenspiel und wir haben einen nervenaufreibenden Tag überwunden. Irgendwie hält uns diese Bucht wie ein Magnet, denn schon am nächsten Tag lassen wir erneut den Anker dort fallen, nachdem wir wirklich versucht haben weiterzuziehen, die Welle und der Wind aber einfach zu heftig war, als dass wir guten Gewissens durch die Fornelli Passage hätten fahren können.
Doch endlich kommt der nächste Tag und wir ziehen weiter! Eine stattliche Welle steht immer noch aber man kann segeln, was uns ein breites Grinsen aufs Gesicht zaubert. Die Fornelli Passage ist ein schmaler Weg, man muss zwischen Riffen manövrieren und viel Tiefgang bietet es (bei der Welle, die heute noch steht) nicht. Zwei Markierungen, die jeweils durch Peilung deckungsgleich übereinander gebracht werden müssen, helfen einem beim Manövrieren durch die Enge. Die Genua (das Vorsegel) packen wir kurz vorher ein, das Großsegel bleibt stehen. Gerade wollen wir die Einfahrt zur Passage nehmen als eine kleine Jolle mit einem freundlich winkenden Italiener an uns vorbei zischt.
ELMO hört sich plötzlich nicht mehr gesund an. Ganz tief grummelt er vor sich hin und Kühlwasser kommt auch nicht mehr aus dem Auspuff.
Verdammter Mist! Wir haben uns mal wieder eine Plastiktüte eingefangen! Vorwärts, rückwärts, vorwärts fahren, schon flattert die Plastiktüte in Fetzen von dannen. Wir werden von den Wellen in die Fahrrinne geschoben, an den Seiten brechen sie sich am Riff mit lautem Getöse. Die erste Markierung bekommen wir ohne Probleme deckungsgleich gepeilt, mit der Zweiten haben wir Probleme. Der Tiefenmesser zeigt alarmierende Zahlen an, die Knie sind nicht nur weich, sie fließen schon dahin wie ein Gemälde von Dali. Die Zahl auf dem Tiefenmesser steigt wieder an, wir atmen durch! Von glasklarem, türkisfarbigem Wasser werden wir in Empfang genommen. Der Anker fällt nicht unweit der Passage in den Sand. Matthias springt sofort ins Wasser um den Propeller und den Saildrive vom Plastik zu befreien. Es dauert ewig! Ab sofort müssen wir täglich nachschauen ob sich im Saildrive eine mayonnaiseartige Emulsion aus Salzwasser und Öl entwickelt.
In der Marina von Castelsardo ist viel los!
In Castelsardo wollen wir nur kurz Essen und Getränke aufstocken um schnell weiter zu fahren… …doch irgendwie wird da Nichts draus! In der Marina gibt es – für lauffaule Segler – den Supermarkt direkt vor der Bootstür. Die Temperaturen steigen mittlerweile auf sardische Sommergrade an und wir schaffen nicht alles, was wir uns in der kurzen Zeit vorgenommen haben. Vielleicht aber auch, weil wir hier einfach den ganzen Tag mit anderen Seglern quatschen und gar nicht dazu kommen, die To-Do-Liste in Rekordzeit abzuhaken.
So treffen wir auf Nicky und Jochen, die uns schon mal in Mahon am Steg über den Weg gelaufen sind, gucken Abends zu tief ins Rotweinglas und werden von Mücken aufgefressen. Dann kommt Christa über den Steg. Die quirlige, blonde Rakete ist doch tatsächlich ein Teil der Crew von Luft&Liebe, denen wir schon etliche Male über den Weg gesegelt sind, sie aber noch nie kennengelernt haben. Aber heute! (Mehr dazu könnt ihr >hier< nachlesen.) >Chris< (mit dem Matthias einen feucht-fröhlichen Abend auf Menorca verbrachte, während ich auf einer Goldenen Hochzeit in Deutschland tanzte) kommt mit seiner Bonita und einem Freund im Ballermann-Bier-T-Shirt am Abend in die Marina. Matthias hüpft vor Freude auf dem Steg rum und hilft beim Leinen annehmen.
Nachdem Matthias plötzlich die komplette Leine mit beiden Enden in der Hand gehalten hat und leichte Verzweiflung in seinen Augen zu lesen war, da kein Ende der Leine an Chris‘ Boot fest war, haben die Beiden es doch noch geschafft, Bonita am Steg festzumachen, ohne das Chris am Steuer ins Straucheln geraten ist – wer schieben es mal auf die Sonne!
Die sardische Sonne kann einem auch manchmal ganz schön zusetzen! 😉 Chris Freund (dessen Name mir – wahrscheinlich auch wegen der Sonne – nicht im Kopf geblieben ist) kommt uns als geschniegelter, gutaussehender, frisch geduschter, freundlich grüßender junger Mann etwas später entgegen und wir brauchen definitiv länger als ein Bruchteil einer Sekunde um überhaupt zu verstehen, wer dieser Mensch ist, der sich in eine komplett neue Verpackung geworfen hat. Zu guter Letzt kommt auch noch die Passion mit Marjon und Hanjo im Hafen an, die den Winter über an ELMOs Steg in Valencia lag. Also ist es hier wohl eigentlich nutzlos zu erwähnen, dass wir einfach viel zu viel Kommunikation hatten um To-Do-Listen abzuhaken, aber ich mach es trotzdem. Irgendwie schaffen wir es doch noch in die Stadt, die oben hui und unten pfui ist. Nach drei Tagen Marina werfen wir die Leinen endlich los! ELMO hat Dieseldurst.
Die Tankpier zum Anlegen ist spitze, die Dame, die die Tanke betreibt, ist die menschliche Ausgeburt von Grumpy Cat (oder sie hat einfach einen ganz schön schlechten Tag).
Als wir in der Anfahrt sind ist sie nicht zu sehen, über Funk nicht zu erreichen, nur ihre Hunde stehen kläffend vor der Tanksäule. In sanfter Anfahrt springe ich von ELMO über auf die Pier, während die Dame dann doch schnell, wie ein Huhn auf Koks, angerannt kommt und mir verbietet die Leinen festzumachen. Sie will auch unsere Leinen nicht annehmen, gibt uns ölige, alte, triefende Strippen, die auf ihrer Seite der Pier festgemacht sind. Augen zu und durch! Während ein wenig später hinter uns Castelsardo wie bunte Legoklötzchen, die man wild auf einen Hügel geschmissen hat, im Dunst verschwindet, segeln wir mit wenigen Knoten von dannen. Der Wind kommt von hinten, wiegt ELMO langsam nach vorn. Ein unglaublich entspannter Segeltag! Den wir gut für die abendliche Ankermisére in Capo Testa gebraucht haben, denn sonst wäre wohl ein Gau entfacht worden!
Viel Ankerpech und zwei genervte Menschen.
3 Mal sehe ich die Steine von oben und rufe Matthias zu, dass der Ankergrund für die Affen ist. 3 Mal spüre ich, schon nach kurzer Zeit, dass sich der Anker nicht eingräbt und beim Eindampfen über den Boden schrabbelt. 3 Mal verschiedene Meinungen vom Bug bis zum Heck. Als ich betone, dass ich es ihm ja nun schon vorher gesagt hätte und er sich ruhig mal darauf verlassen könne, da ich das ja jetzt auch nicht gerade zum ersten Mal mache, ändert sich die Anrede – statt mit Kosenamen wird sich jetzt nur noch beim richtigen Vornamen gerufen, die Stimmung kippt. Der Sonnenuntergang naht, die Gemüter sind strapaziert. Beim 4., 5. und 6. Mal werfe ich tonlos und blind weil Matthias hinter dem Steuer den Boden vor uns seiner Meinung nach sowieso am besten beurteilen kann. Und dann passiert das, was schon hätte beim 2. Oder 3. Versuch passieren sollen – die richtige Idee zum richtigen Zeitpunkt! Matthias springt, mit Taucherbrille und Schnorchel ins Wasser und sucht Sand. Beim 7. Mal sitzt der Anker endlich im Sand und schrabbelt nicht mehr beim Eindampfen über den Boden! Heureka! Wir sind sicher! Das Anker- wird zum Versöhnungsbier und wir können uns über einen wunderschönen Sonnenuntergang freuen und uns zuprosten – wie schön das Leben an Bord doch ist… (an dieser Stelle muss ich etwas lachen, da ich erst vor Kurzem einen wunderschönen >Comic< von Sarah Steenland zu dieser Thematik gesehen habe!)
Durch die Straße von Bonifacio geht’s mit viel Wind im Segel und im Rücken, an den Maddalenas und der atemraubenden Landschaft vorbei nach Le Saline, wo wir auf Andy und Claire treffen, die wir um ein Paddleboard erleichtern und Claire so bei der Finanzierung ihrer Waschmaschine an Bord ein wenig weiterhelfen.
Die beiden Langzeitseglerexemplare waren kurz Nachbarn in Valencia, sind dann aber schon ein paar Wochen vor uns losgezogen. In einer kleinen Bucht, neben Palau, treffen wir auf die Kiwis und können endlich wieder einen deutsch-neuseeländischen Grillabend veranstalten. Selbst Millau erkennt uns sofort und empfängt uns dieses Mal mit wildem-im-Kreis-rennen statt mit Bellen.
Viel Besuch für ELMO!
In der Mittagshitze des nächsten Tages geht es zum Einkaufen an Land. Schweißtreibende Angelegenheit! Aber es hat sich gelohnt, denn nicht nur Nahrungsmittel wurden beschafft, sondern auch Maren) whoopwhoop), eine ehemalige Arbeitskollegin, die uns für ein paar Tage besucht, habe ich im Gepäck, als Matthias mit dem Dinghi-Taxi an den Strand kommt. Es ist Urlaubszeit auf ELMO und es tut unendlich gut bekannte Gesichter wiederzutreffen, die Konversationen zu führen, auf die man sich gefreut hat, ohne ein Telefon am Ohr. Die Kiwis sind schon wieder verschwunden, doch dafür kommt Chris mit seinem Vater in die Bucht gerauscht. Ein geselliges Weinründchen müssen wir am Nachmittag vorzeitig beenden, denn die Wettervorhersage verheißt nichts Gutes und wir müssen umziehen. Le Saline wird auch für uns zur Boomerang-Bay, in die wir immer wieder zurückkehren. Maren testet ebenfalls das Paddleboard und kann schon nach ein paar wenigen Minuten auf dem Brett stehen – wir hätten auch gern die Körperspannung eines Kletteräffchens, bei uns sieht soetwas doch noch immer ein wenig unbeholfen aus.
Dank meines ausgesprochen guten Organisationstalentes (…nicht!), haben wir ELMO für 2 Tage überbucht.
Jessi hat uns vor einiger Zeit einen vagen Terminvorschlag für ihren Besuch zukommen lassen, der bis vor Kurzem noch in riesigen weißen Lettern auf unserer Tafel stand. Die finalen Daten hatte ich noch nicht übernommen, weswegen sich nun Marens und Jessis Besuch um 2 Tage überschneiden. Maren bekommt direkt mal eine Feuertaufe, als wir auf dem Weg sind, Jessi einzusammeln und wird mit 2 Meter Welle auf der Fahrt begrüßt. Auch das steckt sie mit einem Grinsen auf dem Gesicht weg! Seefest die Gute! Jessi sammel ich am Golfo Aranci, pünktlich zum WM-Spiel ein.
Vor lauter Vorfreude muss ich mich etwas beherrschen, alle Schritte, die notwendig sind, wenn man den Außenborder ausschaltet und hochstellt, mit Ruhe und Geduld durchzugehen. Jessi siedet schon seit ein paar Minuten in der sengenden Sonne und wird von den Strandbesuchern etwas seltsam beäugt, was wohl daran liegt, dass sie mit all ihrem Gepäck, wie bestellt und nicht abgeholt, an einem Strand steht. Jetzt ist die Crew komplett, wir haben Neutralseife für die nächsten 5 Jahre und Jessi hat sogar noch 2 neue Pantone-Tassen für uns im Gepäck untergebracht, denn eine knallgrüne Tasse, die sie mir vor einigen Jahren geschenkt hat, ist uns bei einer Überfahrt kaputt gegangen! Nach Deutschlands Niederlage gehen wir Anker auf und verlegen uns in eine wunderschöne Bucht, die Cala Moresca. Schnorcheln und schwimmen im klasklaren Wasser, vertreten uns an Land ein Wenig die Füße, bevor sich die Sonne schlafen legt! – So schön wenn man das mit Freunden teilen kann!!! Maren wird am nächsten Morgen noch schnell in den Mast gezogen um das Ankerlicht zu wechseln, das sie uns aus Deutschland nebst Dillspitzen und einer Köln-Flagge und einer Italien-Flagge mitgebracht hat.
Matthias jubelt innerlich, dass er nicht mich, sondern das kletternde Fliegengewicht hochziehen muss.
Marens Zeit auf ELMO ist schon fast abgelaufen, weswegen wir uns unter Segel auf den Weg nach Olbia machen. Vor dem Hafen, der zugegeben, weniger nach Urlaub aussieht, freeloaden wir für die Nacht. An einer Pier hätten wir auch für ein paar Euronen festmachen können, da sich dort aber, vor nicht allzu langer Zeit, jemand den Rumpf des Schiffes an einer Stahlstange unter Wasser aufgerissen hat, ist uns das zu heikel und wir Ankern irgendwo im dreckigen Hafenbecken – weit weg vom Land. Viele Leute an Bord, heißt auch, dass die Vorräte schneller zu Neige gehen. Wir müssen mal wieder einkaufen.
Der Dinghimotor gibt nach vielen Einsätzen den Geist auf!
Dinghi ins Wasser und Einkaufsteam an Land. Hört sich einfach an, ist es aber nicht, wenn der Außenbordmotor des Dinghis den Geist auf gibt und beschließt nicht mehr zu funktionieren. Verdammt! Matthias paddelt die beiden Mädels an Land. 15-20 Minuten dauert es, eine Strecke zu paddeln. Das geht in die Arme! Als er gerade zurück ist, schreibt Jessi, dass die Luft&Liebe an der Pier festgemacht ist und sie gerade Christa und Hartmut fragt, ob sie uns aus dem Dinghidilemma helfen können, indem sie uns ihren Außenborder für ein paar Fahrten ausleihen können, doch ich sitz schon im Schlauchboot und paddelt Richtung Land. Als ich ankomme, bemerke ich, dass ich meine Schuhe vergessen habe. Mist! Hartmut ist direkt zur Stelle und bietet Hilfe an, da sie gerade selbst zwei neue Crewmitglieder aufgenommen haben, sind auch sie ein wenig im Stress, doch er lässt sein Dinghi mit Außenborder ins Wasser und sagt, dass wir es gerne benutzen können während sie weg sind. (Ich liebe diese Hilfsbereitschaft unter Seglern!)
Mit nackten Füßen und vielen leeren Tüten bepackt, geht es auf Asphalt und Kopfsteinpflaster in den 1,5 km entfernten Supermarkt und wieder vollbepackt zurück.
Hier ist zu erwähnen, dass die Fließen im Supermarkt echt kalt sind! Beim Tabacchi errege ich anscheinend das Mitleid der Italiener, die sich dort zum Kaffee trinken und Lotto spielen treffen und werde gefragt warum ich keine Schuhe habe. Auf meinem zusammengestückelten Italienisch erkläre ich, dass ich diese an Bord vergessen habe. Die Jungs freuen sich und wollen viel Italienisch mit mir sprechen aber mein Vokabular ist leicht beschränkt. Mit viel Lachen, Händen, nackten Füßen und „va bene“ sagen funktioniert aber Einiges. Matthias schickt ein Video vom Außenborder, den er wieder zum Leben erweckt hat – alles noch mal gut gegangen! Als wir drei Mädels wieder an der Pier ankommen, schaue ich mir das Dinghi und den Außenborder von Hartmut und Christa an. Das sieht alles so anders und viel schneller als unser Equipment aus, dass ich mich, auch wenn es im Grunde das gleiche Prinzip ist, nicht traue loszudüsen. Ich entscheide mich für’s Paddeln in unserem Dinghi ohne Moped. Der Wind hat zugenommen, zwischendurch hat es ein wenig von oben herabgetropft und als ich auf ELMOs Badeplattform stehe, während Matthias den Motor an Baby-ELMO schraubt, baut sich an Land eine leichte Gewitterfront auf. Jetzt muss alles schnell gehen. Alle Einkäufe an Bord, verstauen, Mädels abholen, alles festzurren und Luken dicht machen! Das Gewitter bleibt aus!
Den Abend verbringen wir bei bester Spaghetti-Bolognese a la Maren und fallen todmüde ins Bett. Im Morgengrauen macht sich Maren auf den Weg nach Deutschland während wir schnell den Anker lichten und auf die Maddalenas zusteuern.
Viel Natur, viel Landschaft, viel Ruhe, viel Urlaub – Das Maddalena Archipel.
Die Maddalenas, die Seychellen des Mittelmeeres – betrachtet man die rundgeschliffenen Steine und die Landschaft, könnt man es fast meinen. Hier oben fühlt sich alles nach Urlaub an. Buchten ohne Schwell, schwimmen gehen, schnorcheln und riesige Muscheln entdecken, einen der wunderschönsten Sonnenuntergänge genießen… …daran kann man sich gewöhnen. Nur nicht so richtig an das zumeist trübe Wasser. Was aber bestimmt an Klarheit gewinnt wenn man die Ostseiten der Inseln befährt. Unsere Zeit auf den Maddalenas haben wir von den Charterern abhängig gemacht – wir sind hingefahren während alle ihre Boote an den Charterbasen zurückgeben mussten und fuhren weg, als die neuen Charterer kamen. Sehr gute Entscheidung, denn so ist genug Platz zum Ankern und wir mussten nicht, wie die Kiwis oder Andy und Clair, am Abend flüchten, weil man wie Sardinen in der Dose, eng an eng, im Ankerfeld lag. An unserem letzten Stopp auf den Maddalenas treffen wir auf Julia und Dominik, die gerade mit >Lime Ways< auf Family-Törn sind. Lime Ways ist aus >Join the Crew< entstanden. Join the Crew bietet Segelreisen für junge Leute an, die zwischen 18-35 Jahre alt sind. Das hat sich über Jahre hinweg gut bewährt und die Teilnehmer wurden (wie auch wir) zu Wiederholungstäter, die mittlerweile aber einige Lenze mehr auf dem Buckel und manche auch schon Familien haben und einen etwas entspannteren Segeltörn genießen wollen. Deswegen gibt’s jetzt Lime Ways – für alle junggebliebene Erwachsene, mit oder ohne Familie im alter zwischen 32-49 Jahren.
Der Besuch, auf dem Katamaran mit 6 Erwachsenen und 5 Kindern, war für uns drei, die dieses bunte, chaotische Familienleben noch so gar nicht kennen, echt abenteuerlich!
viel Geschwabbel und viel Strecke machen an der Ostseite Sardiniens.
Die nächsten Buchten auf unserem Weg Richtung Cagliari bieten wenig Schutz und sind grundsätzlich offen wie ein Scheunentor. Der Schwell wird zum ständigen Begleiter wie auch die ganzen Ausflugsboote, die in einem Affenzahn umherdüsen.
Doch vorerst möchten wir ruhig liegen. Wir gönnen uns einen Hafenfreeloadingplatz am kostenlosen Pier in La Calleta, wo wir zur späten Stunde ein wunderbares, leckeres italienisches Abendessen, in einem sehr funktionalen Restaurant serviert bekommen.
Im Hintergrund läuft die WM, wir sind beschickert vom Hauswein und ein Hund pinkelt ins Ausgabefach eines überdimensionalen Kaugummiautomaten für Kinderspielzeuge.
Vor den wunderbaren Felsformationen in der Cala Luna liegen wir in den nächsten Tagen vor Anker und lassen uns ordentlich durchschwabbeln, planschen im durchgehend glasklaren Wasser der Ostseite Sardiniens, waschen Wäsche, das Boot, uns – unter einer Regenwalddusche – in dem wunderschönen Hafen von Santa Maria Navarrese und schlecken echtes, italienisches Eis, während die Temperaturen immer noch Einen oben drauf setzen. Matthias ist in Erklärbärlaune und mansplaint (wo wir schon beim Thema sind: das kommt übrigens von „Männer“ und „erklären“ – man / explaining) vor sich hin, während Jessi und ich irgendwie nicht aufnahmefähig sind.
Der Arme hat es nicht so ganz leicht mit einem Boot voller Frauen!
Die riesige Sandfläche in Sa Foxi Manna hält unseren Anker fest im Griff als der Mistral einsetzt. In Sinzias können wir einen kompletten Bade- und Gammeltag einlegen, bevor es uns mal wieder am Morgen aus dem Bett schwellt und wir zu einem Frühstück nach Molentis fahren, wo gerade der Rettungswagen einen verunfallten Badegast abholt.
Poetto hatte Matthias für den Abend vor Cagliari ausgesucht. Dort waren wir schon mal und Matthias preist die Bucht als das Florida von Sardinien an, während ich nur Bilder von dreckigem Wasser im Kopf habe und die Bucht eher als eine der Hässlicheren in meinem Hirn verbucht habe. Zum Glück schwellt es dort so heftig, dass wir nicht mal versuchen den Anker dort zu werfen! Auf nach Cagliari, einen Tag früher als geplant – in die Marina di Sant’ELMO. Einen Gang runterschalten! Was gut tut nach der Strecke, die wir in der letzten Woche zurückgelegt haben. Das gibt uns Luft, die wunderschöne Stadt mit Jessi zu erkunden, eine Fahrradtour zu den Flamingos zu machen und die Nächte ruhig und ohne Schwell zu schlafen. Als Jessi ihre Sachen packt, ist es ein seltsames Gefühl von „Hey, bald sind wir wieder zu Zweit“ und „Oh mein Gott, ist das schade – bald sind wir wieder nur zu Zweit“.
Es ist ein kleines Auf und Ab der Gefühle, denn so sehr wir die Momente genießen, die wir alleine an Bord von ELMO verbringen, so sehr vermissen wir auch genau in diesen Momenten unsere Freunde, mit denen wir genau das gerne teilen möchten.
Auf einem Boot ist es gewiss nicht immer einfach, man hat kaum Rückzugsmöglichkeiten, teilt 24/7 so viel miteinander, muss die Macken der Anderen ertragen (was definitiv eine Herausforderung sein kann, wenn Charaktere, Einstellungen zum Leben oder Sichtweisen unterschiedlich sind) und die Launen der Natur hinnehmen und doch gibt es immer wieder wagemutige Leute, die sich tatsächlich in Flugzeuge, Taxen oder Busse setzen, nur um mit uns ihren Urlaub zu verbringen – DANKE! <3.
Wir haben in der Zeit so viel gelernt und so viele Dinge sind uns noch mal bewusst geworden – vor allem, dass die für uns schon kleinsten Dinge, die an Bord anfallen, gerade für Segelneulinge, wie Maren zum Beispiel eine war, totales Neuland sind! Uns ist schon gar nicht mehr bewusst gewesen, wie viel Erklärung es bedarf, den Anker zu werfen, die Toilette zu bedienen, sich unter der Fahrt an Bord zu bewegen oder nur den Kaffee am Morgen anzusetzen, wenn sich alles um einen herum bewegt. Es tut gut, aus seinem Alltagstrott und den eingespielten Handgriffen herausgerissen zu werden. Zum Einen wird einem noch mal klar, wieviel Arbeit es sein kann, das Dinghi ins Wasser zu lassen um Einkaufen zu gehen und den Kühlschrank am Ende der Aktion wieder voll zu haben, zum Anderen sieht man, wie gut wir zu zweit eingespielt sind, dass all die Vorgänge, fast ohne Kommunikation oder nur noch mit Blicken oder Handzeichen ablaufen.
Neue Menschen bringen frischen Wind auf ELMO, man lernt viel über Kommunikation und viel über sich selbst.
Es ist anstrengend und gleichzeitig schön. Auch wird einem noch mal der Unterschied vor Augen geführt, den es macht, einen Urlaub auf einem Charterboot zu verbringen oder ein Leben auf dem eigenen Kiel zu haben. Man ertappt sich, wie man zum Pedant wird „denn man hat ja nur dieses eine Boot ;)“, oder auch, wie sehr ein Leben an Bord manchmal so weit entfernt von Urlaub und Pauschalreisen ist, wie die Erde von der Sonne. Aber letztendlich lässt sich sagen, dass Urlaub auf ELMO immer dann beginnt wenn es die Natur gut mit einem meint, alle alltäglichen Arbeiten erledigt sind und Leute kommen, mit denen wir die vielen wahnsinnigen Erlebnisse teilen können! Und das sind mit die schönsten Momente, die wir in unseren Herzen festhalten! Umso schwerer fällt es dann, wenn der blonde Lieblingshorsti schon wieder im Taxi Richtung Flughafen sitzt. Dann kann man nur winken, ein Tränchen verdrücken und byebye – hoffentlich bis zum nächsten Mal sagen!