Eine verrückte Zeit beginnt in Valencia – die Fallas. Es ist das valencianische Frühlingsfest und da die Spanier gerne feiern und die schönen Dinge des Lebens lieben, geht dieses Fest ganze 19 Tage lang. Es startet mit einem ohrenbetäubenden, fulminanten Feuerwerk – glücklicherweise dieses Jahr bei uns im Hafen. Logenplätze für die Kiwis, Stephen und uns, direkt an der Front!
Mit einem Sixpack Bier laufen wir nicht weit auf einen kleinen Hügel im Hafen. Auf dem Weg dort hin kommt schon der erste Knall, der einem im Magen wummert. Gerade angekommen geht es los, überall Formen, Farben, Funkeln, die den Abendhimmel erhellen. Das Spektakel dauert ewig. Der ganze Hafen, in dem man in den letzten Monaten nur selten einem Exemplar des Homo Sapiens begegnete, ist voll mit Menschen. Es ist das beeindruckenste Feuerwerk, welches wir seit Brindisi gesehen haben.
Ab nun heißt es jeden Tag um 14:00 Uhr Ausnahmezustand rund um Valencia! Ein großer Knall ertönt irgendwo in der Stadt und dann geht ein Tagfeuerwerk los. Das nennt man dann Mascletà. Egal wo in der Stadt, überall knallt es für den Rest des Tages. Es scheint, als würden die Einwohner Valencias ihr gesamtes Erspartes in den Himmel feuern. Auf den Höhepunkt des Festes bin ich allerdings am meisten gespannt – „La Cremà“. Die Verbrennung von wunderschönen Figuren, die bis zu 30 Meter hoch sind. Zum Aufbau der Skulpturen, der „La Plantà“ am 15. auf den 16. und zur „Cremà“ am 19. findet man mich auf alle Fälle staunend und kopfschüttelnd in den Straßen der Stadt.
Roadtrippin’!
Nach dem SOS-Walk (allmorgendlicher „shit on shore“-Spaziergang zu den Sanitärkontainern) treffen wir Alex und Darren auf dem Pontoon, die sich wundern, warum wir zur „Lunchzeit“ noch nicht abgefahren sind. Spät wie immer verstauen wir all unseren Krempel im kleinen Corsa, der uns zum ersten Ziel unseres Mietwagen-Roadtrips nach Murcia kutschieren soll. Dann sitzen wir auch schon drin und fahren durch das von Industrie geprägte Umland Valencias. Wir schaffen es sogar noch vor der Siesta anzukommen. Ein kleines Hostel mit dem vielversprechenden Namen „La Casa Verde“ ist die erste Unterkunft ohne Geschwabbel, mit einem Doppelbett und sogar einer Doppeldusche. Allerdings ganz schön gewöhnungsbedürftig, denn auch Plastikpflanzen sind überall an die Zimmerdecken getackert.
Das Zimmerchen ist seltsam, zusammengestückelt eingerichtet sowie fragwürdig gestrichen und es mufft.
Soll uns aber nicht stören, denn wir sind hier, um was zu erleben und nicht um uns im Hostelzimmer zu vergraben. Raus hier! Die Stadt ruft! Im Sonnenschein laufen wir am Río Segura entlang, schauen Familien in Bötchen beim Paddeln auf dem Fluss zu, geben den Hungergelüsten in einer kleinen Bäckerei nach, denn der Magen hängt schon im Souterrain. Wir lassen uns durch die sonntäglich gefüllten Gassen treiben. Entdecken ein Casino, fallen in eine Tapasbar ein, in der nur Einheimische sitzen und sind überfordert von der Architektur, die einen durch zahllose Epochen führt.
In Murcia kann man einen Sonnenuntergang auf brasilianische Art genießen.
Am Castillo de Monteagudo sitzt man unter einer Statue Christi auf einer groben Steinmauer und kann zu Gitarrengeklimper über die ganze Stadt schauen, während sich die Sonne langsam schlafen legt. Megakitschig – aber so schön! Selbst in der geschlossenen Bar neben dem Hostel bekommen wir spät am Abend noch ein Feierabendbier ausgeschenkt, denn auch die Angestellten sitzen noch ein Wenig beisammen und genießen gut gelaunt die letzten Minuten des Tages.
Mehr Informationen zu Murcia gibt’s hier.
Der Morgen beginnt mit einem sehr spärlichen Frühstück. Toast und Marmelade mit Kaffee. Hier stellen wir uns zum ersten Mal die Frage, ob die Spanier überhaupt frühstücken. Der Weg von hier nach Granada soll die längste Strecke sein, die wir am Stück auf diesem Trip fahren.
Kurzer Besuch bei modernen Höhlenmenschen.
Guadix liegt zum Glück auf dem Weg. Dort soll es die größte bewohnte Höhlen-Siedlung Spaniens geben. Wir sind angefixt! Gibt es da Internet, Strom und fließend Wasser? Wie lebt man in einer Höhle und vor allem nur mit wenigen oder gar nur einem Fenster? Wir wussten gar nicht, dass es so etwas gibt, haben es nur durch Zufall entdeckt. Verrückte Welt! Wir kommen uns vor, als wären wir in einem Film wie „Herr der Ringe“, als wir durch die Cuevas laufen. Ein netter, alter Herr möchte, dass wir ihn in seiner Höhle besuchen. Er verkauft künstlerisch Handgemachtes und süßes Hausgemachtes. Alles wirkt gedrungen. Die Dusche ist eine kleine brusthohe Nische, der Duschvorhang wurde gekürzt. Überall sieht man die Häkelkünste seiner Frau. Kleine Vögelchen zwitschern in kleinen Käfigen, die an den kleinen Wänden der kleinen Wohnung hängen. Zu viel Kohlenmonoxid in der Höhle und schon fallen sie von ihrer Stange. Dann wäre es Zeit, die Höhle so schnell wie möglich zu verlassen! Ein alter Bergmannstrick, den auch die Menschen hier nutzen oder genutzt haben.
Weitere Reisetipps zu Guadix – hier lang 😉
Die Sierra Nevada lassen wir links liegen, sind jedoch zu tiefst beeindruckt von diesem verrückten Kontrast. Oben gibt’s Schnee und ein Paradies für Wintersportler, unten kann man sich im T-Shirt von der Sonne brutzeln lassen.
Ein kleiner Stopp an einem Mandelfeld lässt alle Geruchsnerven explodieren! Zwar haben viele der Bäume noch nicht ausgetrieben aber ein alter Baum, mit knubbeliger Rinde, an der Straße trägt schon volle Blütenpracht und duftet vor sich hin. In ein paar Tagen wird es hier wahrscheinlich der Ort auf der Welt sein, an dem es am besten riecht.
Auch wenn man hier Stunden verbringen könnte, machen wir uns weiter gen Granada. Ein gelber VW T3 ist ständiger Begleiter auf der Straße. Das Umland Granadas empfängt uns mit Industrie und Cuevas in den Bergen. Hier sehen die Höhlen ganz anders aus als in Guadix. Sie haben meist nur eine kleine, bunte Türe oder einen Stofffetzen vor der Öffnung ihrer Wohnung hängen. Schauen weniger nach Haus, eher nach richtigen Höhlen aus.
GRANADA – DU BIST SO WUNDERSCHÖN, AUCH OHNE MEER!
Dank Siris Reiselust fahren wir erst mal eine riesige Schleife um Granada herum, bevor wir von hinten oben wieder herein, an der Alhambra vorbei kommen und in der hügeligen, engen Stadt empfangen werden. Autos rauschen an uns vorbei, wir halten die Luft an, dass uns nicht gleich der Seitenspiegel um die Ohren fliegt. Hatten wir nicht vorher noch gelesen, dass man es tunlichst unterlassen soll, mit dem Auto in die Stadt zu fahren?
Die kleinen Gässchen zum Bersten gefüllt mit Menschen, parkenden Autos, kleinen roten Bussen, die Touristen und Einheimische von A nach B bringen. Wir wühlen uns durch den Einbahnstraßensalat und fühlen uns plötzlich so sehr an die Kölner Südstadt erinnert. Einen Unterschied gibt es aber – hier hupt keiner, egal wie lange es dauert. Auch die Parkhäuser sind nicht weniger eng als die Gässchen. Wie sollen wir hier nur wieder ohne Dellen und Kratzer raus kommen, wenn wir es überhaupt ohne rein geschafft haben? Wir schieben die Gedanken weg, packen all unseren Krempel unter die Arme und freuen uns auf’s Hotel. Im dunklen Hotelzimmer ziehe ich die Gardinen vor dem Fenster weg. Matthias‘ erster Eindruck von Schimmel im Zimmer wird jetzt auch sichtbar. Wir betrachten die blau-lila Flecken um das Fenster herum. Hm… eigentlich nicht das, was man haben möchte, wenn man sich schon mal ein paar Tage in diesem Zimmer aufhält und schläft. Ohne Diskussion bekommen wir sofort ein neues Zimmer. An sich aber schönes modernes Hotel, mit vielen Ecken und Kanten, mitten in der Altstadt. Der Magen knurrt während wir das erste Mal gegen Spätnachmittag ohne Plan durch die Straßen Granadas laufen.
Am Fluss entlang, am Plaza Nuevo vorbei, wo eine junge Frau mit geschlossenen Augen, viel Mimik, Gestik und Leidenschaft, sehr grämenden Flamencogesang zum Besten gibt. Eine alte Frau sitzt auf der Straße und skizziert, die vor ihr aufragende Kirche. Ein Platz, an dem man sich gerne mit einem Kaltgetränk niedersetzen und einfach nur gucken möchte. Den ganzen Tag. Der Magen macht Lärm. Auf dem Rückweg gibt es, ganz landesunüblich, langsam gegartes Rippchen, und weil die Augen mal wieder größer waren als die Füllmenge unser Bäuche, ein Pulled Pork Bocadillo mit zwei Portionen Krautsalat und zwei Portionen Fritten.
Den Rest des Abends liegen wir, vom leckeren Essen geschwängert wach, in den sauber riechenden Laken des Hotels. Morgen kommen wir zum Höhepunkt unserer kleinen Reise durch Südspanien und Andalusien, die Alhambra wartet auf uns!